Samstag, Dezember 19, 2009

Zur Auswahl von Charakterwerten

Moin.

Ich möchte heute kurz einmal darauf eingehen, wie man für sein Spiel Charakterwerte festlegt (vorausgesetzt man will so welche haben).

Typischer Weise ist es ja so: Charaktere haben unterschiedliche Werte, welche die Spieler dann aufrufen, damit der betreffende Charakter zu dem Wert passende Dinge leistet.

Wir erkennen sofort, dass diese einfache Sache schon mehrstufig ist. Anders ausgedrückt: Die Werte sind Prozesse für die Spieler, die quasi nur zufällig gebündelt und an einen Charakter getackert sind.

Eine Alternative wäre also das zu lassen. Werte werden nicht gebündelt oder nicht an Charaktere getackert. (Bei Capes beispielsweise ist technisch gesehen alles ein "Charakter", was ein Wertebündel verpasst bekommt.)


Wir nehmen aber mal an, wir wollen ganz klassische Charakterwerte. Charaktere haben verschiedene Werte und der Besitzer des Charakters hat eine gewisse Wahlfreiheit, welche Werte sein Charakter gut oder schlecht haben soll.

Wie legt man als Autor dann fest, welche Werte ein Charakter haben können soll?


Eine Frage, die ich zu meinem Erschrecken, immer wieder lese, ist welche (oder wie viele) Attribute das Spiel haben soll. Damit wird dann gemeint, ob Charaktere durch Körper, Geist und Seele beschrieben werden oder durch Stärke, Gechicklichkeit, Ausstrahlung und Intelligenz. Oder was auch immer.

DIESER ANSATZ IST MIST!


Wir haben gesehen, dass Spieler die Charakterwerte benutzen, um den Charakter Dinge leisten zu lassen. Wenn ich also als Designer einen Satz Charakterwerte vorgebe, dann muss ich mir Gedanken machen, welche Dinge die Charaktere leisten sollen.

Wenn ich als Designer diese Frage nicht beantworten kann, weil ich etwa keine Core Story vorgeben will, kann ich keinen solchen Satz von Charakterwerten vorgeben. (Da bietet sich dann das Trait Pattern o.ä. an.)


Diese Überlegung ist sehr abstrakt, deshalb machen wir ein Beispiel: Ich will ein Spiel über Monsterjäger bauen.

Man überlegt sich zuerst: Was sollen Monsterjäger tun?

Naja... Sie sollen z.B. Kämpfen, dem Monster Fallen stellen, ein bischen Okkultismus für Schutzkreise o.ä. können, und vielleicht Medizin, wenn das Monster einen gebissen hat.

Diese Dinge schreibt man auf ein Blatt Papier. Man fängt also, um mal klassische Terminologie zu benutzen, niemals mit "Attributen", sondern immer mit "Fertigkeiten" an.


Mit dieser ersten Liste arbeitet man weiter. Da gibt es verschiedene Operationen:

Streichen: Es gibt zwar guten Grund, dass ein Charakter in dem Bereich was leisten soll, aber es soll kein Wert sein. Vielleicht sollen alle Charakter in dem Bereich gleich gut sein.

Liste splitten: Man verteilt also die Gegenstände auf mehrere Listen und behandelt die danach unabhängig von einander. Das bietet sich, an wenn man mehrere Spielphasen oder Spielkerne hat, also etwa "Kampf" und "Nicht-Kampf".

Listen paaren: Dazu braucht man erstmal mindestens zwei. Man will also z.B. nicht für jeden Gegenstand einen Wert, sondern stellt jeweils zwei Gegenstände gegenüber und macht einen Wert, der in der einen Spielphase so und in der anderen so benutzt wird.


Liste verhüllen: Statt die Gegenstände einer Liste direkt zu Werten zu machen, macht man sich eine neue Liste, deren Einträge kombiniert für die Gegenstände der Ursprungsliste stehen.

Um in unserem Beispiel zu bleiben könnte ich eine neue Liste machen mit Wasser, Feuer, Erde und Luft und es gilt:

Medizin = Wasser + Erde,
Kämpfen = Feuer + Luft
Fallen stellen = Erde + Feuer
Okkultismus = Wasser + Luft.

Dabei sind vier Sachen beachtenswert (in aufsteigender Wichtigkeit):
- Es sollten nicht all zu viele Kombinationen frei bleiben.
- Es ist oftmals ungünstig mehr als zwei Elemente der neuen Liste zu kombinieren.
- Es sollte keine Kombination doppelt benutzt werden.

Und das wichtigste: Nachdem die neue Liste steht, kommt die Urliste in den Müll! Keinesfalls mache man aus der Urliste trotzdem noch Spielwerte.


Komplementäre Liste aufstellen: Das wird von einigen Spielen für ihr Magiesystem verwendet. Typischer Weise nimmt man, wenn man die Handlung kennt, eine weitere Liste für mögliche Zielobjekte hinzu.

Für unser Monsterjägerspiel könnten wir also sagen, dass es Feen, Dämonen und Untote gibt. Und wenn man dann einen Zombiebiss behandelt würfelt man Medizin + Untote, und wenn man eine Fee bekämpft, würfelt man Kämpfen + Feen.

Wichtig ist, dass sich diesmal bitte wirklich alle Elemente aus beiden Listen kombinieren lassen.


Fein... Das waren jetzt ein paar gute, handwerkliche Tricks. Wenn ihr auf eure Liste von Charakterwerten nicht mit dieser Methode kommt, macht ihr entweder Unfug oder betreibt hohe Kunst.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Eine interessante Meinung, deren Nachvollziehbarkeit auf Grund dieses Artikels leider überhaupt nicht gegeben ist. Oder, sofern das, was ich aus dem Artikel nehmen konnte tatsächlich das ist, was er aussagen soll, deine Meinung ist Lichtjahre von dem was ich Rollenspiel nenne entfernt. Zumindest besteht bei mir ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Charakter, seinen Attributen und seinen Fähigkeiten.

Anonym hat gesagt…

@TheClone
hier doch auch.

Aber aus Sicht der Rollenspielautorin müssen die Charakterwerte so gewählt sein, dass im Spiel das getan werden kann (und getan wird), was im Spiel getan werden soll (z.B. eben Monsterjagen, statt Binnenhandel).

Die Perspektive, dass die Charakterwerte den Charakter "beschreiben" sollen, spielt nur aus Sicht der Spielerin eine Rolle.

Stefan / 1of3 hat gesagt…

Selbstverständlich gibt es dann zahlreiche Zusammenhänge. - Wenn das Spiel fertig ist.

Drei Dinge sind wichtig zum Verständnis (dieses sowie praktisch aller anderen Beiträge in diesem Blog):

1.) Alle Zusammenhänge zwischen und Mechanik und Fiktion sind arbiträr. Ich kann zu Werten machen, was immer mir in den Sinn kommt.


2.) Wann immer eine Zahl auftaucht, dient die zum Gewinnen und ist eingebaut für den geneigten Powergamer. (Siehe auch Mein Freund der Powergamer.)

Wer nur schön erzählen will, kann effektiver andere Mittel nutzen. (Siehe dazu u.a. Weil du mien Bogen bist....)


3.) Wenn mir ein neues Spiel angeboten wird, erwarte ich ein neues Spielgefühl. Wenn ich das Spiel verwende, habe ich somit die Erwartung damit anders zu spielen, als ich das bis dahin getan habe.

Das neue Spiel muss mich also dazu bringen, anders zu spielen, als ich das bis jetzt getan habe.

Und zwar soll meinetwegen ein Spiel über Vampire mir ein intensiveres Vampir-Spielgefühl bringen, als wenn ich vorher ein paar Vampirfilme schaue und dann ein x-beliebiges System verwende.


Und mit diesen Überlegungen wird auch der Beitrag hier - das hoffe ich zumindest - einsichtig.

Denn wenn jetzt einer hingeht und überlegt: "Soll mein Spiel ein Stärke-Attribut verwenden?", dann denkt er gefange im Rahmen x-beliebiger Spiele.

Er müsste statt dessen überlegen: "Zu welchen Handlungen will ich meine Kundschaft bringen?"


Bei weiteren Fragen gerne fragen.

Anonym hat gesagt…

Also mir ist wenig klarer geworden als zuvor. Mag daran liegen, dass ich die gestelzten Formulierungen nicht kapiere...