Hallo.
In den letzten beiden Artikeln haben wir globale Möglichkeiten von „SL-Ressourcen“ betrachtet. Wie angekündigt soll es heute um weniger globale Varianten des gleichen Konzepts gehen.
Wir haben eingesehen, dass es irgendeine Form von Beschränkung dessen braucht, was den übrigen Teilnehmern an mechanischer Opposition entgegen geworfen wird. In den allermeisten Fällen besteht nun der modus operandi in einer Rollenspielrunde aus einem Zusammenspiel von unterschiedlichen Methoden, um dieses Ziel zu erreichen.
Wie alle Methoden aber, die eine Runde benutzen könnte, sind aber auch diese für uns als Designer interessant, denn wir können sie wie jede andere in unsere Spiele schreiben. Beginnen wir mit einer Methodik, die häufiger vorkommt:
Die Merkmalsliste
Ein gut ausgebildeter Charakter ist Stufe 1. Einer, der schon einige Bewährungsproben bestehen musste, ist Stufe 2. Ein anerkannter Experte seines Fachgebiets ist Stufe 3...
Merkmalslisten sind eine einfache Methode die ungeordneten Informationen, die in der Vorstellung auftreten, zu ordnen und für eine Umsetzung in Mechanik nutzbar zu machen. Enthalten ist ein Arbeitsanweisung (die man auch gerne noch einmal explizit dazusetzen kann): Wenn du ein X in das Spiel einführen willst, schaue wie es in die Liste passt und statte es dann mit dem passenden Wert aus.
Die ist wenn man so will die simulationistischte aller Möglichkeiten. Man schaut in die gewünschte Fiktion und bestimmt danach die Werte. Grenzen hat die Methode der Merkmalsliste in ihrer Genauigkeit: Listen mit zu vielen Einteilungen werden unübersichtlich. Fünf bis sieben Schritte sind dabei eine gute Zahl („magic number 7“). Das bedeutet aber auch, dass der mit der Liste assoziierte Wert nicht mehr Ausprägungen haben sollte. Man muss also die Skalierung der Werte so entwerfen, dass sie zu der Liste passen.
Auch darf es nicht all zu viele solche Listen geben, sonst artet das praktische Hilfsmittel zum Tabellenwerk aus.
Die Zufallstabelle
Ein enger Verwandter der Merkmalsliste ist die Zufallstabelle. Es ist gleichsam die Merkmalsliste in „verspielt“. Man schreibe einfach vor jeden Listeneintrag eine Zahl und statt dann nach dem gewünschten Ding aus der Liste auszuwählen, würfelt man einfach und bekommt so das Ding und vielleicht auch gleich die mechanische Ausprägung.
Wie hoch der Verspieltheitsfaktor dieser Methode ist, erkennt man leicht an den diversen Spaß-Tabellen, die sich im Netz finden. Theoretisch kann man zwar auch die Wahrscheinlichkeitsverteilung so stricken, dass einige Einträge in der Tabelle häufiger sind, um so ein gewisses Maß von „Realismus“ zu erzielen, aber dies passiert erstaunlich selten.
Zufällige Proto-Opposition
Die Methode nenne ich nach den viel zitierten Proto-Charakteren von Dogs in the Vineyard. Die Methode ähnelt einer Zufallstabelle, bei der die Ergebnisse ihrer fiktionalen Erscheinung entkleidet sind. Man erwürfelt also nicht „Rockergang (Mächtigkeit 7)“, sondern nur noch „Mächtigkeit 7“ und darf sich aussuchen, wer da so mächtig ist. Die Methode bildet so gleichsam das Gegenteil der Merkmalsliste.
Ums noch ein bischen interessanter zu machen werden zusätzlich mehrere Ergebnisse auf einmal produziert, die alle verbraucht werden müssen, bevor es neue gibt. Bei DitV wird z.B. ein Bogen von so und so vielen Proto-Charakteren ausgewürfelt und erst wenn die verbraucht sind, darf der SL neue anlegen.
Überraschungsverbot
Hierbei handelt es sich vielleicht, um die am häufigsten implizit genutzte Methode, um die mechanische Opposition zu begrenzen. Sie wird dabei zwar eigentlich nicht begrenzt, der Deal lautet stattdessen so: „Du kannst machen, was du willst, aber ich will das vorher wissen.“
Das Überraschungsverbot ist daher auch ein viel gegebener Rat in einschlägigen Foren, wenn es etwa um die Frage geht, ob man die Helden mit einem übermächtigen Drachen konfrontieren darf. „Klar“, heißt es dann, „nur solltest du ein paar gefressene Menschen in den Höhleneingang legen und ein paar drachische Fußabdrücke platzieren.“
Selbstverständlich lässt sich auch diese Methode für bestimmte Sachverhalte in die Regeln schreiben.
Overkill-Entschädigung
Hierbei handelt es sich um eine Form des Failure Rewards (siehe die Design Patterns). Die Idee ist, dass die eine Partei an Werte auffahren kann, was sie will, aber wenn die Gegenseite dann all zu sehr auf die Mütze bekommt, gibt’s immerhin nen Trostpreis.
Vielleicht eine Ressource, die zwar nicht jetzt direkt nützlich, aber irgendwann später im Spiel.
Challenge-Ratings
Die Methode bildet einen Klassiker seit D&D3 und funktioniert im Grunde nur, wenn sie von „offizieller“ Seite, also von außerhalb der die Regel letztendlich benutzenden Spielgruppe, kommt. Es wird dabei eine Auswahl von Monstern geliefert, wobei jedes Monster ein Challenge-Rating hat. Dieses Rating bestimmt Grob, wie gut die SCs sein sollen, damit sie es besiegen können.
Der Witz bei dieser Variante ist, dass sie allein auf dem Vertrauen in die Offiziellen basiert. Es ist letztendlich egal, ob das die Kalkulation der CR in allen Fällen minutiös stimmt. Die Behauptung ist es, die zählt. Wenn die Charaktere dann verrecken ist nicht mehr der Spielleiter „Schuld“, sondern die Spieler hatten, quasi per Definition, einfach Pech.
Und damit sei dann auch Reineckes Frage beantwortet. Denn B&B benutzt von Haus alle diese genannten Verfahren außer Zufallstabellen und Challenge Ratings. Erstere find ich nur in der Variante toll, wie Myrmidon sie für die Kräutersammeltabellen in Epos benutzt. Für letztere war ich noch nicht dreist genug.
Freitag, November 13, 2009
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6 Kommentare:
Das Überraschungsverbot kenne ich von Autoren: "Jede Situation muss motiviert sein".
Wenn es also einen Drachen gibt, *und der eine Situation auflöst*, dann sollte es vorher irgendwelche Anhaltspunkte gegeben haben, dass hier ein Drache sein könnte.
Wenn allerdings der Drache nur der Anfang des Abenteuers ist, muss er nicht motiviert sein, sondern kann selbst die Motivation für eine andere Auflösung darstellen.
("OK, ihr wurdet vom Drachen geplättet und seid gerade noch so mit dem Leben davon gekommen. Dabei habt ihr gesehen, dass die Ritter des Königs..." -> der Drache ist Plotwerkzeug, nicht wirkliche Opposition - in diesem Beispiel wäre er das Plotwerkzeug, das die Ritter des Königs als Opposition motiviert).
"Challenge Rating" kann auch weniger komplex sein. Wir nutzen im 1w6-System einfach eine Grundannahme: Normale Gegner sollten (in Abenteuerspielen, in denen die Chars im allgemeinen gewinnen sollen) Fertigkeiten haben, die drei Punkte niedriger sind als die der Spieler. Wenn ein Gegner gleich gut ist (und nicht dumm gespielt wird - siehe Computerspiele) ist die Chance auf Sieg der SCs halt auch nur etwa 50%.
Ansonsten: Erstell' die Opposition mit weniger Dreiecken als die Spieler zusammen haben.
Nene, die Gegner brauchen schon ein paar "Dreiecke" mehr als die Spieler! Sonst überleben ja die SC ohne dass die Spieler gross denken müssen.
Dreiecke?
>> ("OK, ihr wurdet vom Drachen geplättet und seid gerade noch so mit dem Leben davon gekommen. Dabei habt ihr gesehen, dass die Ritter des Königs..." -> der Drache ist Plotwerkzeug, nicht wirkliche Opposition [...] <<
Stimmt. Wenn man denn Plotwerkzeuge in Regeln fassen will, sollte man sich in der Tat was Anderes einfallen lassen. ("Bitte nehmen Sie diese Menge an Fate Points, da ich gedenke, an ihrem Charakter herumzufuschen.")
"Nene, die Gegner brauchen schon ein paar "Dreiecke" mehr als die Spieler! Sonst überleben ja die SC ohne dass die Spieler gross denken müssen."
Dafür müssen die Gegner ihr Leben ja nur gegen die Charaktere verteidigen, während die Helden es (potentiell) mit mehr als einer Gegnergruppierung zu tun bekommen, ohne dass ihre Fähigkeiten zwischendurch anwachsen/regenerieren. Auf diese Weise können auch schwache Gegner den Helden zusetzen, ohne sie gleich umzunieten (was sowieso die interessantere Variante ist).
Zum Überraschungsverbot: So lässt sich die "Mächtigkeit" natürlich auch anbahnen. Bei allen Gegner, außer solchen aus dem Hinterhalt, entspricht die Gefahrenstufe der Anzahl der gelieferten Hinweise. ;)
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