Samstag, Juni 10, 2006

Arten von Techniken

Moin.

Wie versprochen, gibts hier meine Einteilung von Techniken / Methoden. Hier noch einmal kurz meine Definitionen. (Ich wurde darauf hingewisen, dass sich im Provisional Glossary der Forge eine andere Definition befindet, die wohl ungefähr das umfasst, was hier gleich unter Resolution kommt.)

Nichts desto trotz, meine ich mit Technik oder Methode beim Rollenspiel jede wiederholbare Handlungsweise, die mit einem bestimmten Zweck angewendet wird.
Eine Technik kann zur Regel erhoben werden, wenn sich die Teinehmer darauf einigen, sie unter bestimmten Umständen immer anzuwenden.
Mechanismen sind alle Techniken bzw. Regeln, die Würfel, Zahlen, o.ä. benutzen.

Was für Techniken gibts also? Ich hab mir dazu einige Gedanken gemacht, aber ich bin natürlich auch interessiert, was ihr euch denkt. Also fühlt euch frei, die Kommentarfunktion zu benutzen. (Das gilt natürlich auch für alle früheren und zukünftigen Beiträge.)

Ich denke, dass es im wesentlichen die folgenden Gruppen gibt:

Einrichtung
Das erste zuerst: Die Herrichtung der Spielstätte. Angefangen beim Herstellen einer kreativen / unheimlichen / sonstwie gearteten Atmosphären bis zur Positionierung der Mitspieler am Tisch. Das einzige Spiel, dass ich kenne, dass in diesen beiden Bereichen feste Regeln vorgibt, ist Polaris.

Resolution
Die wohl best erforschte Gruppe. Hierunter fasse ich alle Methoden zusammen, die dazu dienen bestimmte fiktive Inhalte ins Spiel einzubringen, angefangen bei so einfachen Aussagen, wie "Ein Spieler hat das letzte Wort zum Gefühlsleben eines von ihm kontrollierten Charakters", bis zu den seitenlangen Kampfregeln, die viele Rollenspiele darbieten. (Selbstverständlich sind das Beispiele, die ein Rollenspiel nicht unbedingt haben muss.)

Ich gehe hier nicht weiter auf Resolution ein, sondern werde noch einen weiteren Eintrag zu genau diesem Thema machen, da das ganze so umfangreich ist.

Flaggtechniken
Wer den Begriff "Flagge" geprägt hat, weiß ich leider nicht. Er bezeichnet einen Hinweis an die anderen Teilnehmer, die Einbringung bestimmter fiktiver Inhalte vorzunehmen, angefangen bei "Wär cool, wenn wir da jetzt einen Geheimgang finden", bis zu bestimmten Charakterwerten. Flaggen unterscheiden sich vor allem danach, wie verbindlich sie sind.

Strukturtechniken
Das die Handlung des Rollenspiels in bestimmter Weise strukturiert wird, ist eigentlich klar. Dabei scheint es mir drei Ebenen zu geben, die vielfach auch verquickt auftreten.
  • Vorstellungsgebundene Struktur - Hier hängt die Struktur von fiktionalen Zeiteinheiten oder Örtlickeiten ab, wie z.B. die Einteilung "Im Dungeon" vs. "In der Stadt" beim Ur-D&D, Jahreszeiten bei Ars Magica oder Nächte bei Vampire.
  • Narrative Struktur - Hier finden sich Einteilungen wie Szene, Abenteuer, Geschichte oder Kampagne.
  • Formale Strukur - Die einfachste Form ist hier einfach die Runde mit "Einer ist dran, die anderen haben Sendepause". Bei Capes schlißlich muss man sich merken, wer die Szene gestartet hat, wer die Seite gestartet hat, wer grade sein Panel hat und wer dieses Panel schon reagiert hat.
Häufig gelten auch verschiedene Regeln, abhängig davon in welcher Phase sich das Spiel gerade befindet.

Wie gesagt treten häufig Mischformen auf, so ist die "Stadt" bei Dogs in the Vineyard, offenbar eine vorgestellte Örtlichkeit und umfasst genau eine Geschichte, die Jahreszeit bei Ars Magica ist auch organisatorisch und gespielte Szenen bilden in vielen Spielen auch die grundlegende formale Struktur.

Belohnungstechniken
Eine weitere ganz wichtige Sache. Hier fällt alles rein, was Teilnehmer zu bestimmten Verhaltensweisen motiviert. Hier gibts jetzt eine ganze Reihe von Varianten. Die einfachste Variante sind Äußerungen wie: "Coole Aktion." Ich empfehle überhaupt immer seiner Begeisterung über einen Beitrag in dieser Form oder zumindest mit einem Kopfnicken Ausdruck zu verleihen.

Grundsätzlich gilt, wie jeder Psychologe erklären wird, dass Belohnung und Strafe besonders effektiv ist, wenn sie zeitnah am Auslöser erfolgt. Das sollte man beim Design vor Augen behalten.

Neben sozialer Belohnung wie oben, gibts natürlich noch mechanische Belohnung, angefangen bei den beliebten Erfahrungspunkten. Man muss sich hier vor Augen halten, dass EPs in den allermeisten Fällen wirklich eine Belohnung für den Spieler sind und gar keine konsistente Charakterentwicklung darstellen sollen. Insofern ist die Frage, nach dem Sinn von plötzlichen Veränderungen in Spielwerten, so sinnvoll, wie Frage, warum Geistliche beim Schach zu Besoffen sind, um grade zu laufen. Das einzige Spiel wo EPs, das sind, was ihr Name vermuten lässt, ist Ars Magica.

Zur mechanischen Belohnung möchte, ich noch meine Meinung zur typischen Vergabe von Erfahrungspunkten an den Designer bringen: Sie macht eigentlich keinen Sinn, denn wenn es darum geht die Kreativität und die Einsatzbereitschaft eines Teilnehmers zu belohnen, dann kann das eigentlich jeder Teilnehmer tun. Insofern wäre es sinnvoll die Vergabe von mechanischer Belohnung eben nicht ausschließlich in die Hände eines Teilnehmers zu legen. Wenn aber der Wettkampf-Aspekt oder das bewältigen von Herausforderungen betont werden soll, ist es überhaupt sinnvoll über mechanische Belohnung die zusätzliche Mitspielerin entscheiden zu lassen: Die Mechanik selber.

Mechanische Belohnung lässt sich in vier Gruppen teilen:
  1. Belohnung für Anwesenheit.
  2. Belohnung für das Lösen bestimmter Aufgaben, Konflikte, etc.
  3. Belohnung für das Versagen bei bestimmten Aufgaben, Konflikten, etc.
  4. Subjektive Belohnung.
Letzeres ist eben gerade: "Fein Gemacht. Hier hast du einen Fischschen, ähhh, ein EPchen." (Nochmal: Das ist eine Supersache, sollte aber allen Teilnehmern als Werkzeug gegeben werden.)

Nummer 3, ist ein ganz wunderbares Werkzeug - insbesondere für wenig wettkampforientiertes Rollenspiel -, das aber viele leider nicht kennen. Hiermit lassen sich nämlich die Teilnehmer dazu bringen, auch wenig liebsame, aber in einer Geschichte interessante Dinge gerne zu nehmen.

Darstellung
Hierein fallen Gestik, Mimik, Handouts und quasi die erzählte Kameraführung. Ein Evergreen aus dieser Kategorie, der in vielen Rollenspielbüchern zu finden ist, ist die Regel, für seinen Charakter in der ersten Person zu sprechen. Auch wird in vielen Rollenspielen häufig angesprochen, einen Schleier über besonders gewaltätige oder sexuelle Szenen zu ziehen. Darüberhinaus ist das ganze in vielen Rollenspielen leider doch recht dünn bzw. häufig sehr schwammig formuliert. Auch hier empfehle ich als interessante Ausnahme besonders Polaris. (Mit anderen Worten: Ich sehe noch Forschungsbedarf.)

Persönliche Supplementärtechniken
Meine persönliche Erfindung, daher mit einem ganz laaaangen Namen. Alles was bist jetzt kam, dreht sich ja irgendwie, um die Zusammenarbeit der Teilnehmer. Es gibt aber ganz viele Methoden, die von Teilnehmern ganz für sich alleine benutzt werden, häufig auch ohne, dass es von anderen bemerkt wird. Ich meine jetzt nicht allgemeine Tätigkeiten, wie sich Notizen zu machen, sondern z.B. eine sechs Seiten lange Hintergrundgeschichte zu schreiben, sich eine bestimmte Szene auf bestimmte Arten und Weisen vorzustellen, etc. Also um Handlungen, die dazu dienen, sich selbst besser in das Rollenspiel hineinzuversetzen.


Das wars dann erstmal. Ich freue mich natürlich auf eure Meinungen.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Unter welche Kategorie fällt denn der Verzehr von Chips, Cola und Pizza beim Rollenspiel? Immerhin ist das eine wiederholbare Handlungsweise, die einem bestimmten Zweck dient. ;)

Ionflux

Stefan / 1of3 hat gesagt…

Das fällt natürlich unter Darstellung. Mit vollem Mund hört man sich viel eher nach einem Bergtroll an.

Anonym hat gesagt…

Hi, ein schöner Beitrag!

Ich würde mich freuen, wenn noch mehr zu den Flaggtechniken käme, das hört sich noch sehr sehr vage an. Ich nehme an, es hat etwas mit dem Einbringen narrativer Elemente (NPCs etc.) durch die Teilnehmer zu tun?

Orpheus

Anonym hat gesagt…

Hi, ein schöner Beitrag!

Ich würde mich freuen, wenn noch mehr zu den Flaggtechniken käme, das hört sich noch sehr sehr vage an. Ich nehme an, es hat etwas mit dem Einbringen narrativer Elemente (NPCs etc.) durch die Teilnehmer zu tun?

Orpheus

Stefan / 1of3 hat gesagt…

Ja. Ist ein bischen knapp geworden. Also: Rollenspiel ist ja eine Tätigkeit bei der eine vorgestellte Umgebung von den Teilnehmern modifiziert wird.

"Resolution" umfasst die Methoden, mit der diese Modifikation vorgenommen wird.

Nun kommt es aber vor, dass ich bestimmte Dinge nicht selbst einbringen will. Ich will, dass das die Anderen tun.

Ich könnte z.B. vor dem Spiel erklären: "Egon hat die Krone des Sultans gestohlen. Des Sultans Leute jagen ihn." Was ich damit sagen will, ist: "Schickt mal die Soldaten vorbei. Die will ich über kurz oder lang haben." Das ist also eine solche Flagge.

Ebenso ist es eine Flage, wenn ich sage: "Ich geh in die Kneipe. Wie siehts da aus?" Hier will ich auch wieder bestimmten Inhalt geliefert bekommen. Das ist was anderes, als wenn ich sage: "Ich gehe in die Kneipe, weiche dem Kotzfleck aus, nicke dem fetten Wirt zu und setz mich an den Tisch in der Ecke." Da hätte ich schon ganz viel selbst gebracht.

Man kann Flaggtechniken wie auch alle anderen kodifizieren und zu Regeln erheben, z.B. indem man es bei der Charaktererschaffung verflichtend macht, bestimmte Ziele, Personen, Vorkommnisse aufzuschreiben.