Samstag, Oktober 02, 2010

Ein praktisches Beispiel zu Constraints

Einen Wunderschönen.

Eigentlich hatte ich ja angekündigt, mehr abstruse Würfelprozeduren vorzustellen, aber dazu muss ich mich echt durchringen. Das scheint mir zwar nützlich, aber doch so wenig geistreich. Dafür gibts heute erstmal Esoterisches.

Ein Rollenspiel zu machen, ist die Gratwanderung zwischen Tu-was-du-willst und So-ist-es.

Es ist also ziemlich witzlos, Spielern ein weißes Blatt zu geben und ihnen zu erzählen, sie könnten jetzt alles spielen, was sie wollen. Das kann man funktionieren; es wurde ja auch schon Seucor gespielt. So etwas geht dann aber immer von Spielern aus, die schon was im Kopf hatten und jetzt noch ein bisschen Handwerkszeug dazu haben wollen. Sie sind nicht durch das Spiel motiviert, sondern durch eine Idee, die von anderswoher stammt.

Auf der anderen Seite kann man auch nichts zu Festes den Kunden vorsetzen. Das kann funktionieren. Es wird ja auch Degenesis gespielt. In diesem Fall spielt dir Runde meist in einem selbstgewählten Ausschnitt der Welt und der Autor muss sich fragen, warum den ganzen Rest da mit hingepackt hat bzw. warum er nicht gleich verschiedene Spielmodi bewusst angeboten hat.

Die Kunst ist also an bestimmten Stellen zu Sagen: "So ist es!", und an anderen die Spieler vor die Wahl zu stellen. Dabei gibt es noch die Unterscheidung zwischen "Denk dir was aus!", "Denk dir was hierzu aus!" und "Wähle eines dieser Dinge!"




Das ist jetzt alles ziemlich theoretisch mit Tendenz zum Gemeinplatz. Deshalb gibts hier ein Beispiel: Ich will ein Spiel, in dem die Spieler sowohl jeweils einen Sterblichen als auch einen göttliches Wesen spielen.

Da ist jetzt noch nicht viel dran. Das ist nicht recht spannend. (Gabs auch schon ein paar mal.) Es braucht mehr Fleisch: Die Spielwelt ist eine Höhle und die göttlichen Wesen sind darin gefangen. Mit reingerutscht sind auch ein paar sterbliche Volksstämme und Gruppen und ab und zu ein paar einzigartige Sterbliche.

Damit könnte man loslegen, mit der Grundlage: "Malt euch ne Höhlenkarte (1), denkt euch jeder einen Gott aus (2), dazu ein paar Völker (3), und macht euch jeder einen Sterblichen (4)."

Das kickt aber immer noch nicht recht. Es ist zu viel beliebig. Das Spiel wird besser, wenn man zu einigen der vier Fragen gewisse Antworten vorgibt.

Man könnte z.B. ne Karte von der Gefängnishöhle mitliefern. Es wird also immer in der gleichen Höhle gespielt. Unterschiedlich ist nur, wer da rumfleucht. Das ist jetzt aber immer noch nicht viel.

Schränken wir also die göttlichen Wesen ein wenig ein, vielleicht mit Charakterklassen: Es gibt den Engel, den Dämon, den Aufgestiegenen, der mal ein Sterblicher war, den Avatar, so im Sinne von mächtiges Tier wie bei Prinzessin Mononoke, den cthulhuesqen Schläfer und den Dschinn. Und dann sucht sich jeder Spieler einen dieser Typen aus, aber kein Typ darf doppelt gewählt werden. Die Typen kriegen gewisse Fähigkeiten mitgeliefert und gewisse Charakterzüge.

Schon wird das ganze viel plastischer, vor allem weil auf Vorkenntnisse des Lesers zurückgegriffen wurde. Man kann das noch ausbauen, indem man jedem Gott eine weitere Klasse zukommen lässt, vielleicht Krieger, Lebensspender, Richter, Vernichter, Trickser, Schöpfer und Magier. Das sind auch wieder Kategorien, die der Leser auf Grund seiner Vorkenntnisse für Göttergestalten erwarten kann.

Und weil die erste Klasse gewählt wird, wird die zweite jetzt zufällig gezogen. Dann wird vielleicht der Dämon Lebensspender. Wer würde das nicht wollen?
Das ist aber auch generell ein guter Trick: Lass die Leute nicht zwei gleichartige Aktionen hintereinander machen. Einmal Wahl, einmal Zufall. Einmal Wahl, einmal Punktkauf. Einmal Zufall, einmal Punktkauf.

Die zweite Art Klassen bringt wiederum eine kleine Fähigkeit mit und man kann sie vielleicht noch weiter ausschlachten. Wenn eine Klasse nicht vorkommt, fehlt der Höhle etwas. Gibt es keinen Lebensspender, ist die Fruchtbarkeit spärlich. Gibt es keinen Vernichter, lebt ein jedes Ding, wenn schon nicht ewig, so doch lange. Gibt es keinen Schöpfer, gibt es kaum technische Errungenschaften. Gibt es keinen Richter hat man entweder paradiesische Zustände oder Barbarei.

So bringt dieser Arbeitsschritt auch noch weitere Informationen über die Welt. Das ist übrigens auch wieder ein guter Trick: Es wird nicht nur ein Wert oder Ergebnis herangezogen - hier also die gezogenen Götterrollen -, sondern auch das Gegenteil mitbetrachtet.

Dann gehts an die sterblichen Völker und letztendlich den sterblichen Helden. Da die Vorbereitung bis jetzt sehr geregelt ist, könnte man die Wahl der Völker einfach frei geben: "Liebe Spieler, denkt euch bitte kurz vier bis fünf Völker aus, die auch in der Höhle wohnen." Das wäre ein weiteres Beispiel für variierte Vorgehensweisen. Um das auf die Spitze zu treiben, könnte man für die sterblichen Helden so etwas wie das DitV-Präludium einbauen, so dass der letzte Schritt erspielt wird.




Wir sehen: Die vage Idee wird besser, wenn man die Wahlmöglichkeiten des Publikums einschränkt. Es ist dabei gar nicht so wichtig, wie sie eingeschränkt werden. Man hätte auch die Götter relativ freigeben können und dafür die sterblichen stärker restringieren. Das wäre dann zwar ein anderes Spiel, aber dadurch nicht per se schlechter.

Wir haben auch gesehen, dass es sinnvoll ist verschiedene Arten von Vorgehensweisen, also verschiedene Arten von Constraints, zu mischen.

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