Freitag, April 13, 2007

Bei meiner Ehre als Powergamer

Hallo nochmal.

Zwei Beiträge an einem Tag ist mein neuer Rekord, aber ich hatte noch einen in der Leitung, denn ich denke, dass meine Ausführung zu Powergaming und Spieldesign noch eines Beispiels bedürfen.

Ich habe mir deshalb einfach mal ein typisches Charaktermerkmal herausgegriffen und möchte einmal verschiedene Methoden der Umsetzung - gute wie schlechte - beleuchten. Und zwar habe ich als Merkmal "Ehrenkodex" gewählt.

Es gibt natürlich Spiele, in denen dieses Merkmal Fluff und allein dem Ausspielen überlassen ist. Weiterhin kann man z.B. in WuShu mit einem Ehrenkodex wie mit allem anderen auch Würfel abgreifen. Beide Herangehensweisen, sowohl die der Nicht-Beschäftigung als auch agnostische Traits will ich hier ignorieren.


Und ab gehts:

Nachteil für Baupunkte: Dieser Methode bedient sich z.B. Gurps, aber diverse 90er-Spiele haben den gleichen Nonfug praktiziert. Hier ist ein Kodex ein Nachteil und wenn man ihn bei der Charakter-Erschaffung nimmt, bekommt man Punkte dafür, die man für andere Sachen benutzen kann. Das ist die denkbar schlechteste Lösung, denn der Spieler wird nun versuchen zu vermeiden, dass sein Kodex ins Spiel kommt.

Der D&D-Paladin: Der hat einen Kodex eingebaut. Wenn er dagegen verstößt, verliert er seine Kräfte. Das ist dann im Spiel so ähnlich wie die Gurps-Variante, aber immerhin wird der Kodex hier fest mit einem Bild im Kopf des Spielers verbunden. Es ist nicht nur irgendein Nachteil, den man gezwungener Maßen nimmt, sondern der Nachteil des Paladins. Der Spieler könnte also geneigt sein, sich daran zu halten, weil sich ein "richtiger" Paladin so verhält. Das ist dann allerdings eine Emo-Begründung und kein Material für den geneigten Powergamer.


Dann mach ich gleich weiter mit dem Beweis, dass es doch eine Heilung für den Paladin Blues gibt, denn die D&D-Autoren sind offenbar lernfähig:

Der D&D-Ritter: Der Ritter hat auch einen Kodex, der anders als beim Paladin nicht an einem schwammigen Alignment-Begriff hängt, sondern mit klaren Auswirkungen, im Spiel verankert ist. Die Mechanik ist in dieser Hinsicht abgeschlossen, niemand muss auslegen, was ein Verstoß gegen den Kodex ist, denn jeder Verstoß ist schon selbst eine Anwendung von Mechanismen.
Wichtiger aber ist, dass der Kodex hier kein Nachteil, sondern taktisches Element ist. Der Spieler kann hier gegen den Kodex verstoßen, wann immer er will, er muss nur eine Anwendung seiner Herausforderungsfähigkeit zahlen. Auf diese Weise wird simuliert, dass der Kodex für den Charakter relevant ist, aber ihn einzuhalten oder nicht liegt allein beim Spieler.



Die folgende Variante ist praktisch die genaue Umkehrung des Gurps-Prinzips:

TSoY-Keys: Bei The Shadow of Yesterday lässt sich ein Verhaltenskodex mit dem Pfad des Schwurs darstellen. Auch hier steht es dem Charakter frei sich für oder gegen die Einhaltung des Kodex zu entscheiden. Wenn er den Kodex allerdings befolgt, bekommt er dafür Erfahrungspunkte. Da man praktisch nur durch Pfade EP erhält, sind TSoY-Spieler sogar bereit für eine solche Einschränkung Charakterpunkte auszugeben.
Weiterhin kann nun der SL gezielt den Kodex des Charakters herausfordern, denn er weiß ja, dass der Spieler anders als bei Gurps dies wünscht.
(Dieser Ansatz stammt meines Wissens von den Hintergründen bei 7te See, da wurde er allerdings noch nicht ganz so konsequent eingesetzt.)


Weiterhin sind wohl die Spiritual Attributes bei The Riddle of Steel nennenswert. Das Konzept könnte ich zwar auch erklären, aber das Spiel habe ich noch nicht selbst gespielt. Vielleicht findet sich ja jemand, der eine kurze Beschreibung oder einen passenden Verweis als Kommentar hinterlässt...


Ham wir wieder was gelernt, vielen Dank für die Aufmerksamkeit, auf Wiedersehen.

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich habe TRoS gespielt und kann so als Erklärbär dienen.

In TRoS hat ein Spielercharakter 5 Spiritual Attributes(SAs), die als feste Attribute auf dem Charakterbogen stehen. Diese bestehen aus einem Typ (z.B. Conscience, Drive, Passion) und eventuell einer Spezfizierung (bei Spezifizierung etwa die Person und das Gefühl das ihr entgegengebracht wird).
Diese SAs steigen wenn er der Charakter etwas wichtiges dafür unternimmt und sinken, wenn er dagegen handelt.
SAs wirken in zweifacher Form als Belohnung:
- sie geben Bonuswürfel in Höhe des SA-Werts wenn eine Aktion durchgeführt wird die mit dem SA in Einklang steht.
- sie können runtergekauft werden um den Charakter zu verbessern.

Wenn man ein SA auf 0 runterkauft kann man es außerdem austauschen und so die Ausrichtung des Charakters verändern.
Der findige Powergamer wird sich ein Ziel suchen das möglichst viele seiner SAs anspricht, dieses aggressiv verfolgen um seine SAs zu steigern und "taube" und entgegengesetzte SAs die gerade totes Kapital sind runterkaufen, um sie gegen welche auszutauschen die ihm bei seinem Ziel helfen.

Falls jemanden detaillierter interessiert wie der Powergamer TRoS be- und ausnutzt, lohnt sich ein Blick in den Guide dazu den ich mal geschrieben habe: http://skyrock.blogg.de/eintrag.php?id=7

(Ein direktes Ehrenkodex-SA gibt es nicht, aber man kann sich da was aus verschiedenen SAs wie Conscience, Passion:Loyalität und Oath zusammenbasteln.)

oliof hat gesagt…

kurze Anmerkung zu TSOY: Hier ist noch wichtig, dass selbst die Abkehr von der Beschränkung relevant ist und mit Punkten belohnt wird. So wird nochmal unterstrichen, dass die Wahl der Pfade freiwillig und ein Angebot des Spielers an die Gruppe ist, bestimmten Spielhinhalten Gewicht zu geben. Ohne diesen Kniff wären Pfade/Keys nicht halb so spannend für mich.

alexandro hat gesagt…

Der vollständigkeit halber (auch wenn aus PG-Sicht natürlich weniger interessant):

Nachteile als Zufallselement (z.B. Schlechte Eigenschaften bei DSA):
- ein Würfelwurf entscheidet, ob der Nachteil in der entsprechenden Situation Anwendung findet oder nicht.

Nachteile als Situationsvorgaben:
- der Nachteil definiert eine Situation, bei welcher sich der Charakter in bestimmter Weise verhalten muss oder bestimmte Mali erhält (z.B. "Coward" bei Unisystem, der immer auf direktem vor überlegenen Gegnern flieht)

Nachteile als Eigenschaftsreduktion (das beliebte Verkrüppelt, Kurzsichtig und Dumm):
-halte ich persönlich für eher sinnlos, da das System besser gleich die Möglichkeit bieten sollte, die Eigenschaften niedrig anzusetzen (und das dann intime entsprechend zu erklären), statt das nachträglich mit einem Nachteil zu verbinden (der dann oft noch eine ganz eigene Currency ins Spiel bringt...)

Anonym hat gesagt…

Ein Ansatz fehlt mir noch:

*7th-Sea-Hybris*
Eine Hybris fungiert auf der einen Seite als "Nachteil für Baupunkte" (und diese Baupunkte werden mit den offiziellen 100HP meist dringend benötigt).
Der Spieler hat hier allerdings keine Möglichkeit die Hybris zu umgehen oder sie aktiv zu verfolgen um sich Boni zu erarbeiten. Stattdessen hängt das am Spielleiter, der dafür eine beschränkte Ressource einsetzen muss und damit den Charakter zu Handlungen zwingen kann die durch die Hybris begründet sind.

Finde ich insofern interessant dass es eine der wenigen Mechaniken ist die Illusionismus/Partizipationismus aktiv unterstützt und trotzdem ständig transparent bleibt.
Aus Powergamingsicht interessant ist dass eine Hybris eine Win-Win-Situation ist - man kriegt Punkte bei der Charaktererschaffung, und Hybreis aktivieren ist die beste Anwendung aus Spielersicht die es für Dramawürfel gibt, da der SL seine beschränkte Ressource Dramawürfel nur für den fluffigen Punkt Plot "verschwendet", ohne direkt verankerte negative mechanische Effekte (wie sie etwa durch Dramawürfel verbesserte Angriffswürfe von Schurken haben).

alimantando hat gesagt…

Der Punkt zu GURPS trift nicht ganz. Er ist auch nicht ganz falsch, jedoch ist er auf keinen Fall vollständig:

1) Ein Nachteil, der den Charakter nicht benachteilig, ist keine Punkte Wert. Es ist die Aufgabe des GM in einem solchen Fall regulierend einzugreifen.

2) Es ist möglich in GURPS den Ehrencodex in verschiedene Fähigkeiten direkt einzubauen, so dass diese aufhören zu funktionieren, wenn der Charalter seinen Codex verletzt. Ähnlich dem D&D-Paladin.

3) Wofür ein Spieler XP bekommt obliegt dem GM. In jedem System. "Roleplaying-XP" sind keine Erfindung von Shadow of Yesterday.

oliof hat gesagt…

Alimantando: Bei TSOY obliegt es genau nicht dem Spielleiter, wer wofür XP bekommt. Und man bekommt die XP nicht für (gutes) Rollenspiel, sondern sobald sich eine Spielfigur in einer bestimmten Situation befindet - unabhängig, ob der SL das so gedreht, man seine Spielfiguren selbst oder andere Spielfiguren diese Situation herbeigeführt haben.

Stefan / 1of3 hat gesagt…

"Es ist die Aufgabe des GM in einem solchen Fall regulierend einzugreifen."

'xakt.

Und das ist ja der Unfug.

Anonym hat gesagt…

Also zu sagen, dass ein Nachteil-System mit Baupunkten wie bei GURPS provoziert, dass der Spieler den Nachteil vermeidet ist dem System gegenüber äusserst unfair und lässt auch nicht auf Praxiskenntnis desselben schließen. Meine praktische Erfahrung in diversen Runden zeigt das Nachteile gerade ein zentraler Eckpfeiler für "gutes Rollenspiel" eines Charakters sind, nämlich dass man nicht "nur schön spielt", sondern sich auch mal rollengerecht reinreitet - der Mehrheit der Spieler macht dies auch Spaß. Natürlich kann ein SC im Ernstfall auch mal den "Control-Roll" bemühen und zu versuchen sich zu beherrschen, aber gute Rollenspieler tuen dies sehr selten (kaum vorgekommen in mehreren Runden!) und der GM wird dieses Spielverhalten entsprechend ziemlich "objektiv" bewerten können und das gute Ausspielen der Nachteile entsprechend mit Erfahrungspunkten (CP) belohnen.
Dass ein Spieler seinen Nachteil bei GURPS "nicht will" ist eine total unfaire Behauptung und nur eine einseitige Interpretation (auch wenn es sicherlich vereinzelt solche Spieler gibt, aber die gibt's überall)! GURPS unterstützt explizit gutes Rollenspiel mit diesen Mechanismen nicht umsonst gibt es ja sogar extra die Marotten (Quirks), die als "Mini-Nachteile" nochmal konkret machen dass ein Charakter sich insbesondere über solche Eigenarten definiert!
Übrigens gibt's bei GURPS z.B. auch das "Paladin"-Modell wenn man sowas wie Dungeon Fantasy mit Templates spielt, wo man speziell für die Archetypen passende, vorselektierte Nachteile offeriert bekommt.

Dass die Ansichten wirklich nicht fair sind, zeigt ja auch schon, dass unterschlagen wurde, dass man selbstverständlich auch bei GURPS Erfahrungspunkte für gutes Rollenspiel der Nachteile kriegt, bzw. eben keine solchen wenn man es nicht spielt - dieses Verfahren ist eigentlich eh Standard und daher mitnichten eine wirkliche Besonderheit von TSoY o.ä.

Weiteres spare ich mir mal, aber ich kann mal ganz definitiv und unvoreingenommen sagen, dass im Vergleich zu anderen verbreiteten Systemen wie D&D, DSA4, SR4 o.ä. die GURPS-Disadvantages mit Abstand mehr Flexibilität und Unterstützung beim Rollenspiel bieten. Wer es nicht glaubt, kann gerne nachlesen oder eben nicht... ;)

Anonym hat gesagt…

Also zu sagen, dass ein Nachteil-System mit Baupunkten wie bei GURPS provoziert, dass der Spieler den Nachteil vermeidet ist dem System gegenüber äusserst unfair und lässt auch nicht auf Praxiskenntnis desselben schließen. Meine praktische Erfahrung in diversen Runden zeigt das Nachteile gerade ein zentraler Eckpfeiler für "gutes Rollenspiel" eines Charakters sind, nämlich dass man nicht "nur schön spielt", sondern sich auch mal rollengerecht reinreitet - der Mehrheit der Spieler macht dies auch Spaß. Natürlich kann ein SC im Ernstfall auch mal den "Control-Roll" bemühen und zu versuchen sich zu beherrschen, aber gute Rollenspieler tuen dies sehr selten (kaum vorgekommen in mehreren Runden!) und der GM wird dieses Spielverhalten entsprechend ziemlich "objektiv" bewerten können und das gute Ausspielen der Nachteile entsprechend mit Erfahrungspunkten (CP) belohnen.
Dass ein Spieler seinen Nachteil bei GURPS "nicht will" ist eine total unfaire Behauptung und nur eine einseitige Interpretation (auch wenn es sicherlich vereinzelt solche Spieler gibt, aber die gibt's überall)! GURPS unterstützt explizit gutes Rollenspiel mit diesen Mechanismen nicht umsonst gibt es ja sogar extra die Marotten (Quirks), die als "Mini-Nachteile" nochmal konkret machen dass ein Charakter sich insbesondere über solche Eigenarten definiert!
Übrigens gibt's bei GURPS z.B. auch das "Paladin"-Modell wenn man sowas wie Dungeon Fantasy mit Templates spielt, wo man speziell für die Archetypen passende, vorselektierte Nachteile offeriert bekommt.

Dass die Ansichten wirklich nicht fair sind, zeigt ja auch schon, dass unterschlagen wurde, dass man selbstverständlich auch bei GURPS Erfahrungspunkte für gutes Rollenspiel der Nachteile kriegt, bzw. eben keine solchen wenn man es nicht spielt - dieses Verfahren ist eigentlich eh Standard und daher mitnichten eine wirkliche Besonderheit von TSoY o.ä.

Weiteres spare ich mir mal, aber ich kann mal ganz definitiv und unvoreingenommen sagen, dass im Vergleich zu anderen verbreiteten Systemen wie D&D, DSA4, SR4 o.ä. die GURPS-Disadvantages mit Abstand mehr Flexibilität und Unterstützung beim Rollenspiel bieten. Wer es nicht glaubt, kann gerne nachlesen oder eben nicht... ;)

Anonym hat gesagt…

P.S.
Und falls jemand (schlechter Rollenspieler) wirklich den Nachteil dauernd umgehen will, gibt es mit den Control-Rolls immerhin einen akkuraten Mechanismus, um es fair zu checken, ob sein Char dies schafft oder eben nicht... saubere Sache für alle Beteiligten (viele andere Systeme haben da Probleme).
Wer Nachteile explizit nicht will, nimmt sie erst gar nicht oder kauft sie mit CP wieder frei.