Dienstag, Juli 04, 2006

Resolution

Moin.

Heute gehts, um die wohl best erforschten Techniken im Rollenspiel. Meine persönliche Auffassung dazu, welche es denn sonst gibt, findet sich nach wie vor hier.

In meiner Einteilung habe ich ja Resolution als Änderung des Vorstellungsraums beschrieben. Um genauer zu sein, müsste man vielleicht von absichtsvollen Veränderungen, während des laufenden Spiels sprechen.

Denn es kommt ja z.B. vor, dass die Vorstellung etwa durch die Wahl von Hintergrund und Genre quasi präfiguriert wird oder dass sich der Vorstellungsraum während des Spiels ungewollt verändert, etwa wenn die Teilnehmer Fakten vergessen. Beides würde mit dem gängigen Resolutionsbegriff nicht übereinstimmen. (Es gibt auch Leute, die schränken den Begriff noch weiter ein. Das soll mich aber nicht kümmern.)



Wie mir inzwischen aufgefallen ist, war ich allerdings etwas inkonsequent. Ich habe ja aufgezeigt, dass Rollenspiel häufig zwei Spielplätze hat: Vorstellung und Werte. Insofern sind eigentlich auch die Änderungen an beiden Stellen interessant, so dass man quasi an zwei Stellen Resolution betreiben kann. Ich spreche daher von nun an von Resolution und W-Resolution.

Häufig sind diese Vorgänge natürlich stark vermischt, was wohl der Grund ist, dass ich niemanden kenne, der sie so auseinandergepflückt hat.



DKF
Vorweg allerdings ein wenig Historie. Die vermutlich erste Einteilung von Resolutionstechniken stammt von Jonathan Tweet und findet sich in Everway. Ich tu jetzt etwas ganz böses und zitiere aus zweiter Hand, nämlich aus dem Aufsatz "System does matter" von Ron Edwards. (Das ist übrigens der Ursprung von Gulasch, Nudeln und Salat.)
Demnach gibt es drei Typen von Resolution:
  • Fortune, meaning a range of results is possible for each instance (I rolled a 10 on 3 dice, under my skill of 12; I hit!). Most RPG systems are primarily Fortune-based for historical reasons; methods include dice, cards, and all sorts of other things.

  • Karma, which compares two fixed values (I have a 7 in fencing, you have a 4, I win). Amber is one of the few mainly-Karma games.

  • Drama, in which the GM (or rarely, the player) resolves the outcome by saying what happens ("You skewer him!" says the GM, without rolling or consulting numbers of any kind).

Nach den Anfangsbuchstaben wird diese Einteilung häufig "DKF" genannt und hir geht es offenbar darum, wie entschieden wird, ob der Inhalt eingebracht wird. Auf der Forge wurde irgendwann einmal diskutiert, das ganze auf "DKFS" zu erweitern mit S für Skill, also für die körperliche Fähigkeit eine Teilnehmers, wie ich das bei der Wertschöpfung im letzten Teil auch schon mal angemerkt habe.


Informationsquellen
Kaum beachtet dagegen wird die Frage, was denn da eingebracht wird bzw. woher die neue Information stammt. Da gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Von den Spielern oder aus der Mechanik.

Wenn ein Mechanismus selbst gewisse Informationen liefert, habe ich teilweise schon gehört, dass er informativ sei. Ich übernehme diese Bezeichnung mal.

Wenn die Information von den Spielern stammt, lassen sich zwei Varianten feststellen. Entweder ein Teilnehmer ist ermächtigt, bestimmte Informationen einzubringen, oder die Informationen wurden verhandelt und von mehreren Teilnehmern zusammen hervorgebracht. (Ich benutze die Bezeichnung "ermächtigt" analog zu dem Begriff "Player Empowerment", der von einigen Leuten benutzt wird.)

Ich nehme mir mal ein Beispiel eines Resolutionsprozesses her (Agone, p. 168):

Double Phoenix (Action) [Double Axe, 24]

Requirement: fighting at least two opponents, whose SIZ is inferior to the attacker's
The attack inflicts as much damage to all opponents as it does to the target of the blow ( the opponent that parries). The movement of the axe resembles the shape of an eight is gnerally very bloody.



Diese Kampftechnik ist informativ in Bezug auf die Vorstellung (8-förmiger Schwung der Axt, der alle Gegner trifft) und in Bezug auf die Werte (Schaden an allen Gegnern). Man sieht hier sehr schön, dass V-Resolution und W-Resolution zusammen auftreten können.

Natürlich kann ein Charakter bei Agone auch einen Angriff machen, ohne eine Spezialtechnik zu benutzen. So ein Angriff ist natürlich auch sehr informativ in Hinsicht auf die Werte, allerdings deutlich weniger in Hinsicht auf die Fiktion. Es findet sich im Buch auch nichts über erzählerische Ausschmückung seitens eines Teilnehmers, obwohl dies wahrscheinlich passieren wird. Tatsächlich können wir wohl davon ausgehen, dass in den meisten Agone-Runden der kontrollierende Spieler mit einer impliziten Regel ermächtigt wird, Ausschmückungen vorzunehmen.

Man sieht also schon, dass beide Ebenen und verschiedene Informationsquellen in einer Resolution zusammenkommen können.


Stake Resolution
Tatsächlich gibt es noch eine weitere Quelle bzw. eine Kombination aus verhandelter und informativer Resolution, die sich insbesondere bei Spielen aus dem Dunstkreis der Forge (und damit auch bei mir) großer Beliebtheit erfreut. Hier wird zuerst in der Gruppe über mögliche Ausgänge eines Problems entschieden und mit Hilfe von bestimmten Mechanismen entschieden, welches Ergebnis schließlich eintritt. Die möglichen Ausgänge werden häufig als Stakes (Einsätze) bezeichnet. Daher schließe ich mich denen an, die diese Variante als Stake Resolution bezeichnen.

Tatsächlich kommt Stake Resolution in vielen Spielrunden vor. Häufig in der Form: "Würfel mal. Wenn du schaffst, kriegst du die Tür auf, wenn du's nicht schaffst, nicht." Auch hier wird eine Vorauswahl über mögliche Ergebnisse verhandelt und dann per Fortune-Mechanik entschieden. (Ja, wenn der Spielleiter sowas sagt ist das eine Verhandlung bzw. die Äußerung ein Verhandlungsangebot. So spricht Mr. Baker und so will ich das glauben. Siehe auch den Grundlagen-Artikel.)

Georgios hat im Grofafo neulich ein Thema zu verschiedenen Arten von Stakes gestartet. Lesenswert.


Conflict Resolution & Task Resolution
Wo ich schon dabei bin, will ich auch auf zwei weitere Gummibandbegriffe aus der Forge hinweisen: Conflict Resolution und Task Resolution. Das Folgende sind die Definitionen aus dem Provisional Glossary:
    Conflict resolution: A Technique in which the mechanisms of play focus on conflicts of interest, rather than on the component tasks within that conflict. When using this Technique, inanimate objects are conceived to have "interests" at odds with the character, if necessary. Contrast with Task resolution.
  • Task resolution: A Technique in which the Resolution mechanisms of play focus on within-game cause, in linear in-game time, in terms of whether the acting character is competent to perform a task. Contrast with Conflict resolution.

Theoretisch kann man damit also arbeiten. Tatsächlich setzen aber viele Sprecher Conflict Resolution mit Stake Resolution gleich oder interpretieren in die CR zumindest die Bekanntheit aller möglichen Ausgänge hinein. Da ist also Vorsicht geboten. Insbesondere deshalb, weil einige Leute wieder die Forge-Krankheit überfällt und sie daher meinen, dass es nur CR und TR gebe und nichts anderes. Tatsächlich ist Resolution aber ein deutlich komplexeres Thema, wie wir hier gesehen haben.




Nochmal zum Abschluss: Resolutionsprozesse sind komplexe Gebilde die mindestens nach den folgenden Gesichtspunkten betrachtet werden können:
  • Ebenen: V-Resolution, W-Resolution
  • Quellen: Informativ, Ermächtigend, Verhandelt, Stake Resolution, vielleicht weitere.
  • Mittel: Drama, Karma, Fortune, Skill, vermutlich weitere.
Wichtig: Eine einzelne Prozedur kann auf verschiedenen Ebenen verschiedene Dinge mit verschiedenen Mitteln aus verschiedenen Quellen einbringen.


Tipps
Kommen wir zu Design-Ratschlägen, denn dazu sind wir ja eigentlich hier. Da kann ich leider gar nicht soo viel zu sagen.

Grundsätzlich ist der Vorteil bei informativen Mechanismen, dass unvorhergesehenes passieren kann (zumindest in dem Rahmen, den der Mechanismus umfasst). Dagegen gibt es insbesondere bei den Varianten, die Verhandlung beinhalten, die Möglichkeit unpassende Ergebnisse von vornherein auszufiltern. Beides kann in bestimmten Situationen interessant sein.

Weiter gilt, dass viele sich mehr dafür interessieren, worauf sie Einfluss haben. (Sieht man schön, wenn Spieler anfangen irgendwas zu lesen, wenn sie nicht dran sind.) Insofern haben Prozeduren, die möglichst viele Teilnehmer beteiligen einen gewissen Vorteil, können aber natürlich auch anstregender sein, wenn alle immer etwas tun müssen. - Die Erfahrung hab ich zumindest mit einigen Forge-Spielen gemacht.

Problematisch kann es sein, nicht genau zu sagen, was aus welcher Quelle stammt. Das führt häufig zu Interpretationsproblemen und sollte meines Erachtens vermieden werden.

Zuletzt bin ich ja - wie ich auch hier schön häufiger angemerkt habe - abgeneigt, einen beliebigen Teilnehmer zu ermächtigen, Dinge auf der W-Ebene frei nach Schnauze zu ändern.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Herzlichen Glückwunsch, dieser Beitrag ist der erste google-hit, wenn man nach ""conflict resolution" system rpg"" sucht ;).