Freitag, November 13, 2009

Die römische Religion

Moinsen.

Polytheistische Religionen erfreuen sich ja in Rollenspielsettings seit alten Zeiten einer gleichbleibenden Beliebtheit. Mit einer polytheistischen Religion, die wirklich existiert hat, habe ich mich recht ausgiebig beschäftigt. Ich möchte daher ein paar kurze Charakteristika erläutern, die vielleicht auch für den ein oder anderen Weltenbastler interessant sind.

Und zwar meine ich die Religion des alten Roms.

1.) Die römische Religion war eine Staatsreligion.
Und zwar war sie das in viel stärkerem Maße als wir den Begriff heute benutzen. Die korrekte Durchführung der Riten galt als notwendig zum Erhalt des Staates. Sollte also etwa im Vesta-Tempel das Feuer ausgehen, so wäre das eine Gefahr für den Bestand des Staates und es müssen daraufhin passende Entsühnungsriten durchgeführt werden.

2.) Es gibt keine Kirche und keine Vollzeitpriester.
Wenn wir an Religion und Priester denken, so haben wir ein Bild von Leuten, die ihr Leben Gott widmen und ihre meiste Zeit in den Dienst der Gemeinde stellen. Das gilt nicht im alten Rom. Priester zu sein ist ein Ehrenamt, in das man nach bestimmten Verfahren gewählt wird. Es gibt keine Ausbildung zum Priester, wie wir das kennen. Gewählt wird man auf Lebenszeit.
Man trifft hier regelmäßig die gleichen Leute, die auch politische Entscheidungen fällen und Kriege führen, eben die Elite des Staates. Cicero, Caesar und Konsorten... alle hatten sie auch ein Priesteramt.

3.) Man ist Priester für bestimmte Rituale.
In Rom gab es verschiedene Kollegien von Priestern. Diese waren jeweils für die Durchführung bestimmter Rituale verantwortlich. So hüpften die Salier zweimal im Jahr, mit ihren traditionellen Schilden und dem uralten Gesang durch die Straßen. Den Rest des Jahrs hatten sie nicht viel zu tun.
Man ist also nicht in dem Sinne Priester eine Gottes, wie das in den typischen Fäntelalter-Welten vorkommt. Man ist Priester, um an gewissen Tagen im Jahr gewisse Dinge zu tun.
Gelegentlich kommt es sogar vor, dass über den Gott dem ein gewisses Ritual geweiht ist, Unklarheit herrscht. So waren die Parilia ein Fest zu Ehren einer alten Hirtengottheit namens Pales. Ob diese Gottheit ein Mann oder eine Frau war, darüber bestand Unklarheit. Und die Salier z.B. verstanden schon im 1. Jh. v.Chr. nicht mehr, was sie da eigentlich genau sangen.

4.) Das Auguralwesen
Eine Besonderheit des römischen Kultes ist der Umgang mit göttlichen Zeichen. Die Götter schicken Blitzen, Donner, Erdbeben ihr missfallen. Weiterhin kann man ein solches Missfallen auch durch Beobachtung der Vögel o.ä. gewinnen.
Zu diesem Zweck gibt es das Amt der Auguren, ein Kollegium, dass sich auf diesen Themenkreis spezialisiert. Weiterhin hatten die höheren Beamten Auspizien, also das Recht auf solche Zeichen zu achten. Auf dieser Basis ließen sich z.B. Volksversammlungen vertagen. Der Obnuntiierende geht also zum Versammlungsplatz, verkündet, dass er ungünstige Vorzeichen gesehen hat und verlangt, dass die Sitzung vertagt wird. (In späteren Zeiten der Republik hat man jemanden, der sowas versucht hat, dann schon mal Schläge angedroht. Caesars Kollege Bibulus hatte daher Angst das Haus zu verlassen.)

5.) Keine Regeln ohne Ausnahme.
Ja, es gab in Rom auch Vollzeitpriester, und zwar die einzigen Priesterinnen des Staatskultes. Das sind die Jungfrauen der Vesta (oder Vestalinnen), die abgesehen von den gewissen Riten im Laufe des Jahres, das besagte Feuer im Tempel der Vesta hüten.
Es gab auch für gewisse Götter einen speziellen Priester, der nur für diesen Gott arbeitet. Das sind die Flamen. Flamen unterliegen auch gewissen Einschränkungen, wie wir uns das von Priestern vorstellen. So durfte etwa der Flamen des Jupiter nur zwei Nächte außerhalb von Rom schlafen. Diese Einschränkung liegt vor allem daran, dass quasi jeder Flame sein eigenes Kollegium ist. Es gibt also niemand anderen, der die passenden Rituale durchführen kann. Auf Grund dieser Einschränkungen allerdings, war etwa das Flamen-Amt des Jupiter in späten Zeiten ziemlich unbeliebt, so dass man sich fast das ganze 1. Jh. v.Chr. anders beholfen hat.
Und gewisse Kollegien hatten auch noch andere Aufgaben als nur Rituale durchzuführen. So war das wichtigste Kollegium, das der Pontifices, auch eine Art religiöse Autorität und bei Fragen wie Adoption und Erbschaft involviert.
Die „Fünfzehn Männer zur Durchführung von Opferungen“ waren daneben dazu da, in den Sibyllinischen Büchern nachzublättern, drei Bücher, die angeblich Prophezeigungen enthielten, wenn sie in einer Krise vom Staat dazu aufgefordert wurden.

6.) Die Fetialen
Ein Schmankerl zum Schluss. Das Kollegium der Fetiales war ursprünglich dazu da, Kriege zu erklären, Waffenstillstand zu schließen und andere solche diplomatische Aufgaben zu absolvieren. Das ging natürlich sehr gut, solange Rom gegen seine Nachbarn kämpfte.
Da ging der Fetialis zwecks einer Kriegserklärung zur Grenze, sagte ein paar gemessene Worte und schleuderte einen Speer rüber. Macht auch bestimmt Eindruck.
Bei Kriegen in Übersee, wo man den Fetialen und seinen Speer erstmal ranschiffen muss, ist das aber nicht sehr praktisch. Irgendwann kam dann ein schlauer Kopf in Rom auf die Idee, einfach ein Stück Rasen vor dem Tempel der Bellona, der Kriegsgöttin, rituell zum Feindesland zu erklären. Was macht der Fetialis dann? Er geht zum Rasen hin, spricht ein paar gemessene Worte und steckt seinen Speer in den Boden.

So viel erst mal. Wenn ihr Fragen habt, gerne fragen.

SL-Ressourcen III

Hallo.

In den letzten beiden Artikeln haben wir globale Möglichkeiten von „SL-Ressourcen“ betrachtet. Wie angekündigt soll es heute um weniger globale Varianten des gleichen Konzepts gehen.

Wir haben eingesehen, dass es irgendeine Form von Beschränkung dessen braucht, was den übrigen Teilnehmern an mechanischer Opposition entgegen geworfen wird. In den allermeisten Fällen besteht nun der modus operandi in einer Rollenspielrunde aus einem Zusammenspiel von unterschiedlichen Methoden, um dieses Ziel zu erreichen.

Wie alle Methoden aber, die eine Runde benutzen könnte, sind aber auch diese für uns als Designer interessant, denn wir können sie wie jede andere in unsere Spiele schreiben. Beginnen wir mit einer Methodik, die häufiger vorkommt:


Die Merkmalsliste
Ein gut ausgebildeter Charakter ist Stufe 1. Einer, der schon einige Bewährungsproben bestehen musste, ist Stufe 2. Ein anerkannter Experte seines Fachgebiets ist Stufe 3...

Merkmalslisten sind eine einfache Methode die ungeordneten Informationen, die in der Vorstellung auftreten, zu ordnen und für eine Umsetzung in Mechanik nutzbar zu machen. Enthalten ist ein Arbeitsanweisung (die man auch gerne noch einmal explizit dazusetzen kann): Wenn du ein X in das Spiel einführen willst, schaue wie es in die Liste passt und statte es dann mit dem passenden Wert aus.

Die ist wenn man so will die simulationistischte aller Möglichkeiten. Man schaut in die gewünschte Fiktion und bestimmt danach die Werte. Grenzen hat die Methode der Merkmalsliste in ihrer Genauigkeit: Listen mit zu vielen Einteilungen werden unübersichtlich. Fünf bis sieben Schritte sind dabei eine gute Zahl („magic number 7“). Das bedeutet aber auch, dass der mit der Liste assoziierte Wert nicht mehr Ausprägungen haben sollte. Man muss also die Skalierung der Werte so entwerfen, dass sie zu der Liste passen.

Auch darf es nicht all zu viele solche Listen geben, sonst artet das praktische Hilfsmittel zum Tabellenwerk aus.


Die Zufallstabelle
Ein enger Verwandter der Merkmalsliste ist die Zufallstabelle. Es ist gleichsam die Merkmalsliste in „verspielt“. Man schreibe einfach vor jeden Listeneintrag eine Zahl und statt dann nach dem gewünschten Ding aus der Liste auszuwählen, würfelt man einfach und bekommt so das Ding und vielleicht auch gleich die mechanische Ausprägung.

Wie hoch der Verspieltheitsfaktor dieser Methode ist, erkennt man leicht an den diversen Spaß-Tabellen, die sich im Netz finden. Theoretisch kann man zwar auch die Wahrscheinlichkeitsverteilung so stricken, dass einige Einträge in der Tabelle häufiger sind, um so ein gewisses Maß von „Realismus“ zu erzielen, aber dies passiert erstaunlich selten.


Zufällige Proto-Opposition
Die Methode nenne ich nach den viel zitierten Proto-Charakteren von Dogs in the Vineyard. Die Methode ähnelt einer Zufallstabelle, bei der die Ergebnisse ihrer fiktionalen Erscheinung entkleidet sind. Man erwürfelt also nicht „Rockergang (Mächtigkeit 7)“, sondern nur noch „Mächtigkeit 7“ und darf sich aussuchen, wer da so mächtig ist. Die Methode bildet so gleichsam das Gegenteil der Merkmalsliste.

Ums noch ein bischen interessanter zu machen werden zusätzlich mehrere Ergebnisse auf einmal produziert, die alle verbraucht werden müssen, bevor es neue gibt. Bei DitV wird z.B. ein Bogen von so und so vielen Proto-Charakteren ausgewürfelt und erst wenn die verbraucht sind, darf der SL neue anlegen.


Überraschungsverbot
Hierbei handelt es sich vielleicht, um die am häufigsten implizit genutzte Methode, um die mechanische Opposition zu begrenzen. Sie wird dabei zwar eigentlich nicht begrenzt, der Deal lautet stattdessen so: „Du kannst machen, was du willst, aber ich will das vorher wissen.“
Das Überraschungsverbot ist daher auch ein viel gegebener Rat in einschlägigen Foren, wenn es etwa um die Frage geht, ob man die Helden mit einem übermächtigen Drachen konfrontieren darf. „Klar“, heißt es dann, „nur solltest du ein paar gefressene Menschen in den Höhleneingang legen und ein paar drachische Fußabdrücke platzieren.“

Selbstverständlich lässt sich auch diese Methode für bestimmte Sachverhalte in die Regeln schreiben.


Overkill-Entschädigung
Hierbei handelt es sich um eine Form des Failure Rewards (siehe die Design Patterns). Die Idee ist, dass die eine Partei an Werte auffahren kann, was sie will, aber wenn die Gegenseite dann all zu sehr auf die Mütze bekommt, gibt’s immerhin nen Trostpreis.

Vielleicht eine Ressource, die zwar nicht jetzt direkt nützlich, aber irgendwann später im Spiel.


Challenge-Ratings
Die Methode bildet einen Klassiker seit D&D3 und funktioniert im Grunde nur, wenn sie von „offizieller“ Seite, also von außerhalb der die Regel letztendlich benutzenden Spielgruppe, kommt. Es wird dabei eine Auswahl von Monstern geliefert, wobei jedes Monster ein Challenge-Rating hat. Dieses Rating bestimmt Grob, wie gut die SCs sein sollen, damit sie es besiegen können.

Der Witz bei dieser Variante ist, dass sie allein auf dem Vertrauen in die Offiziellen basiert. Es ist letztendlich egal, ob das die Kalkulation der CR in allen Fällen minutiös stimmt. Die Behauptung ist es, die zählt. Wenn die Charaktere dann verrecken ist nicht mehr der Spielleiter „Schuld“, sondern die Spieler hatten, quasi per Definition, einfach Pech.


Und damit sei dann auch Reineckes Frage beantwortet. Denn B&B benutzt von Haus alle diese genannten Verfahren außer Zufallstabellen und Challenge Ratings. Erstere find ich nur in der Variante toll, wie Myrmidon sie für die Kräutersammeltabellen in Epos benutzt. Für letztere war ich noch nicht dreist genug.