Dienstag, August 29, 2006

One rule to find them

Willkommen zurück.

Heute gibts wieder ein Thema mit Inhalt und zwar geht es um die meistbenutzte und häufig am schlechtesten erklärte Regel in Rollenspielen, nämlich:

Es gibt einen Spielleiter.

(Wer noch nicht weiß, was eine Regel ist, sollte in den älteren Beitragen suchen.)

Die allermeisten Rollenspiele haben so jemanden und für einige Kollegen ist die Existenz eines Spielleiters schon so normal, dass sie es nicht einmal mehr für nötig befinden, in ihren Designs auf diese Rolle hinzuweisen.

Das ist aber nötig, da es sowohl interessante Lösungen ohne so einen Hoschi gibt als auch auf Grund der Tatsache, dass es "den Spielleiter" sowieso nicht gibt. Viele Spiele, die einen SL benutzen, erwarten ganz verschiedene Dinge von diesem und durch häufig unklare Regeln entstehen auch noch massig, verschiedene Interpretationen.


Ich liste hier mal ein paar Dinge auf, die über Spielleiter in verschiedenen Spielen so oder so ähnlich gesagt werden, und deren Konsequenzen.
  1. Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter nicht.
  2. Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter die Welt.
  3. Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter macht die Geschichte.
  4. Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter ist die Augen und Ohren der Protagonisten.
Aussage 1 macht den SL natürlich frei andere Charaktere zu übernehmen. Ich kenne umgekehrt auch viele Gruppen in denen Spieler weitere Charaktere übernehmen, wenn ihr SC gerade abwesend ist.

Aussage 2 gibt dem Spielleiter weite Gestaltungsrechte über den Hintergrund und die Situation, wobei sich hier schon die Frage stellt, wo der Protagonist auffhört und wo die Welt anfängt.

Aussage 3 wird von einigen Forgianern schon als Paradoxon bezeichnet und mit The Impossible Thing before Breakfast tituliert. Interpretationsmöglichkeiten für diesen Satz finden sich im gleichnamigen Artikeln, den ich unter Ressourcen verlinkt habe.

Aussage 4 hat wieder recht eindeutige Konsequenzen und beschränkt die Spieler ziemlich stark. Nur in den Wünschen und Gedanken ihres Protagonisten können sie noch frei wirken.


Besser als sich in deratigen Floskeln zu ergehen ist es jedoch die geforderten Handlungsmuster, der Handlungsmuster genau zu beschreiben. Fragen, die fürs Rollenspiel typischer Weise beantwortet werden müssen, sind unter Anderem:
  • Wer spielt wann welchen Charakter?
  • Wer legt Charakterwerte / Schwierigkeiten / sonstige Zahlen fest?
  • Wer rahmt wann eine Szene? ("Szenen rahmen" bezeichnet dabei festzulegen, wie sich die Situation darstellt, wer anwesend ist, etc.)
  • Wer interpetiert welche Eigenschaft / welchen Würfelwurf / etc.?
Da diese Aufgaben beliebig fein auf beliebige Teilnehmer verteilt werden können, ist es geboten sie auch genau zu beantworten. (Bzw. sich erstmal zu überlegen, was für das vorliegende Spiel eine vernünftige Verteilung wäre.)

Dagegen ist es z.B. nicht nötig festzulegen, wer über Regelauslegungen oder Streitigkeiten in der Gruppe entscheidet. Die meisten Leser werden fähig sein alleine zu entscheiden, wie sie Probleme beilegen wollen.


Eine weitere Unart vieler Rollenspiele ist mangelnde Munition. Munition ("Ammo") ist ein Begriff, den Chris Chinn auf seinem Blog gepflückt hat und beschreibt Elemente, die der Spielleiter ins Spiel werfen kann.

Während praktisch alle Rollenspiele für die Spieler ziemlich klare Regeln und gute Werkzeuge bereithalten, blickt der SL häufig auf länglich ausgebreitete, aber nichtssagende "Spielleitertipps". (White Wolf und FanPro, ich hab euch genau im Auge.)

So ist z.B. das Leiten von D&D im simpelsten Fall relativ einfach: Ich gucke in mein Monster Manual suche mir was aus und stelle das den Spielern in den Weg. (Nicht ganz einfach, ist ein Monster in der passenden Gewichtsklasse zu finden, aber das ist ein anderes Thema.)

Auch in The Shadow of Yesterday hat der SL - nach allem, was mir berichtet wurde - einen schönen Waffenschrank. Man muss nur auf die "Keys" der SCs gucken und ihnen passende Elemente vorsetzen. Keys sind bestimmte Wünsche oder Eigenschaften, die die Charaktere haben und entstammen also dem weiten Feld der formalisierten Flaggen.

Dogs in the Vineyard geht noch systematischer an die Sache ran und liefert dem SL mit den "Town Creation Rules" die Mittel sich gleich eine ganze Geschützstellung auszurüsten.


Tatsächlich ist wohl die Legende des Guten SpielleitersTM dem Umstand zu verdanken, dass viele Spiele, ihre SLs ziemlich alleine lassen. Während es bei DitV relativ einfach ist, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, erfordert das Leiten von z.B. Gurps in Ermangelung aller Hilfsmittel schon eine gewisse Genialität.

Ich stelle hiermit die Behauptung auf, dass gute Rollenspiele von einem Spielleiter nicht weitaus mehr verlangen als von allen anderen Teilnehmern. Und so stellt sich auch nicht das Problem, dass auf die Frage "Wer leitet?" eine beklemmende Stille in den Raum einzieht.


Zuletzt fordern einige Spiele, besonders solche, bei denen die Spieler Herausforderungen bestehen sollen, von ihren SLs Dinge, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen. Wenn nämlich der SL gleichzeitig die Herausforderung vorbereiten, die Spieler mit Schätzen belohnen und die Regeln auslegen soll, entspräche das beim Fußball den Rollen von Trainer, Manager, gegnerischer Mannschaft und Schiri in Personalunion.


Wir können für ein vernünftiges Design also folgende Regeln ableiten:
  1. Lege genau fest, wer welche Aufgaben hat.
  2. Überlege dir, ob diese Verteilung Sinn macht.
  3. Gib jedem Werkzeuge, um seine Aufgabe möglichst effektiv auszufüllen.

Bis zum nächsten Mal.

Mittwoch, August 23, 2006

Ums nochmal zu sagen...

Ich merke, dass ich die Blogs, die ich verlinke auf jeden Fall häufiger lesen sollte. Wäre mir doch fast dieser weise Text bei Frank T. entgangen. Ich zitiere auszugsweise:

Erwin will aber sein eigenes System schreiben. Das System ist Shadowrun, nur schlechter, weil ein paar Elemente von L5R dilettantisch eingeschustert wurden, Erwins Zweitsystem, das er im Schrank stehen hat und gerne mal spielen würde, aber seine Spieler wollen nicht. Das Magiesystem ist noch nicht fertig, aber es wird ganz groß. Er ist nur noch nicht sicher mit der Fertigkeitenliste. Das Setting ist eine nahe Zukunft mit Elementen fernöstlicher Mythologie. Leider hat Erwin nie Feng Shui gelesen, deswegen weiß er nicht, wie man so was gut macht.

Und somit hat der Empfänger meines letzten Beitrages doch endlich einen Namen bekommen. Hallo, Erwin.

Mittwoch, August 16, 2006

Ein überfälliger Eintrag

Lieber Leser,

was nun kommt ist ein Post, der mit gewissen Annahmen eines Teiles meiner Zielklientel aufräumen möchte. Du könntest zu diesem Teil zählen. Wenn du also weiterliest, halt dich bitte fest.

Zur Einführung, folgende Trivialität:

Rollenspiel und Design sind zwei Paar Schuhe
Dass lange Jahre Rollenspiel gespielt zu haben noch keinen guten Rollenspieler macht, dürfte den meisten bekannt sein. Ich für meinen Teil habe zumindest schon Spielerinnen und Spieler gesehen, die am ersten Tag ihrer Rollenspielkarriere bessere Beiträge geliefert haben, als gewisse, erfahrene Teilnehmer.

Noch offensichtlicher sollte es eigentlich sein, dass ein erfahrener Rollenspieler noch lange nicht fähig ist auch gute Rollenspiele zu schreiben. Wäre ja auch merkwürdig, denn dann wäre ich Bestseller-Autor. Schließlich lese ich seid meinem siebten Lebensjahr Bücher.


Welche Voraussetzungen muss ein Designer also mindestens erfüllen:

Lern Englisch!
Einige mögen es vielleicht nicht glauben, aber der Großteil der Rollenspiele erscheint in dieser Sprache. Und wenn ich dann höre, dass einige Leute bestimmte Dinge nicht lesen wollen, weil sie "nicht so gut Englisch" können, stehen dem Sheriff ganz ohne Schweinemaske die Haare zu Berge.

Ohne geht es leider nicht und tatsächlich sind die meisten Rollenspiele sogar einfacher zu lesen als etwa Romane. Wäre also ein guter Einstieg. Vielleicht reicht dein Schulenglisch nicht ganz aus, aber das ist völlig normal. Wenn man Dinge - insbesondere Sprachen - wirklich lernen will, muss man schon von sich aus an sich arbeiten.


Schau über deinen Tellerrand!
Es ist völlig OK, wenn du einen ganz bestimmten Spielstil hast und dich in diesem Stil ausdrücken möchtest. Aber wie eine Hamburger Band richtig sagt: "Wer Hiphop macht und nur Hiphop hört, betreibt Inzest."

Das ist auch logisch, denn wer keine breite Basis hat, kann die Besonderheiten seiner Wünsche und seiner Bedürfnisse gar nicht richtig einschätzen. Auf das Rollenspiel angewendet heißt das also: "Lies und spiele viele, möglichst verschiedene Rollenspiele!" Ich habe beispielsweise am letzten Freitag so ein ominöses Spiel namens "Iron Heroes" gespielt - und es war gut.

Wenn mir dann also jemand sagt, dass er sechs Rollenspiele kenne und das doch wohl ausreichend sei, um Rollenspiele zu schreiben, mag das stimmen. - Wenn die Spiele meinetwegen D&D, Ars Magica, Engel, Inspectres, The Pool und FATE sind oder Spiele, die vergleichbar viel gemeinsam haben. (
Diese Spiele gibts übrigens auch alle in Deutsch. Du kannst sie also lesen, noch bevor du den ersten Ratschlag befolgst.)

Um mit der Grundlage ganz sicher zu gehen, würde ich allerdings doch eher eine deeeuuuutlich größere Zahl ansetzen.



Nimm an Diskussionen teil!
Diese Anforderung dürften die meisten hier wohl erfüllen, da der Name dieses Blogs wohl außerhalb von einschlägigen Internet-Foren nicht fällt. Du kannst dir nunmehr auf die Schulter klopfen.

Warum das wirklich wichtig ist, lässt sich etwa an einem bekannten, neuen, deutschen Fantasy-Rollenspiel erkennen, dass nicht nur viele gute Dinge, sondern auch Fehler aus anderen Spielen neu aufbereitet. Und zwar unter Anderem Fehler, die andere Spiele bei Editionswechseln schon ausgemerzt hatten. Sowas wäre bei einem hinreichend großen Gesprächskreis wohl aufgefallen.

Nebenbei stellen Gesprächspartner schon eine gewisse Basis an Interessenten dar.


Hinterfrage das Rollenspiel!
Das ist das, was ich hier in Ansätzen tue, und Leute, die diesen Blog lesen, haben da wohl auch schon eine gewisse Bereitschaft. Du darfst dir also schon wieder auf die Schulter klopfen. Zumindest in Ansätzen.

Warum ist sowas wichtig? Kann man nicht auch ohne ein interessantes Rollenspiel schreiben? Ja, aber das ist dann ein echter Glückstreffer. All zu oft gibts dann leider nur ein Exemplar der Kategorie, über die ich mich im Eintrag "Ganz viele neue Spiele" lustig gemacht habe. Du hast doch über diesen Eintrag nachgedacht, oder?

Wer noch nicht genau weiß, wie weit man diese Betrachtungen treiben kann, der mag nochmal auf rpgtheoryreview schauen, das ich nicht umsonst an der Seite verlinkt habe. Da gibts auch gelegentlich so kleine Rollenspiel-Koans, die für Leute, die das noch nicht so oft gemacht haben, vielleicht ganz interessant sind.


Du musst das schon üben!
Das ist eigentlich auch ganz klar. Die meisten Leute kommen aber irgendwann auf die Idee ein Rollenspiel zu schreiben und zwar den heiligen Gral ihres rollenspielerischen Daseins. Und wie das mit dem Gral so ist, kann man den lange suchen.

So finden sich im deutschssprachigen Netz einige Rollenspiele, die auch noch damit Werbung machen, dass jahrelang an ihnen herumgedoktort wurde. Wenn ich aber nie mit einem Spiel fertig geworden bin, kann ich auch nicht auf mein Tun zurückblicken, reflektieren und dadurch für das nächste Mal besser werden. Ganz davon abgesehen, dass mich die Entwicklung nach zwölf Jahren im Dunklen Kämmerchen wahrscheinlich schon überholt hat.

Wer also Rollenspiele schreiben will, sollte tunlichst davon lassen als erstes mit einem Spiel anzufangen, das ihm über alle Maßen am Herzen liegt. Deshalb sind diese Challenges, wo man in begrenzter Zeit mit total dämlichen Vorgaben ein Rollenspiel schreiben soll, auch so wertvoll. Da kann man mal so nebenbei ein Rollenspiel fertig schreiben und ein bischen üben. Deshalb ist der vorgabenfreie 24h-Wettbewerb im FERA auch nicht so gut. Da schreibt eben wieder jeder, was er will.

Wer jetzt Lust auf etwas Training bekommen hat, kann sich momentan beim Reverse Engineering Challenge auf story-games.com austoben.


Halte dich auf dem Laufenden!
Schrecklich, oder? Nicht nur, dass man das, was hier beschrieben ist, einmal machen muss, man muss sogar ständig dabei bleiben. Das könnte fast in Arbeit ausarten.



Soweit erstmal. Noch jemand mit mir? Schön. Also an die Arbeit...