Heute gibts wieder ein Thema mit Inhalt und zwar geht es um die meistbenutzte und häufig am schlechtesten erklärte Regel in Rollenspielen, nämlich:
Es gibt einen Spielleiter.
(Wer noch nicht weiß, was eine Regel ist, sollte in den älteren Beitragen suchen.)
Die allermeisten Rollenspiele haben so jemanden und für einige Kollegen ist die Existenz eines Spielleiters schon so normal, dass sie es nicht einmal mehr für nötig befinden, in ihren Designs auf diese Rolle hinzuweisen.
Das ist aber nötig, da es sowohl interessante Lösungen ohne so einen Hoschi gibt als auch auf Grund der Tatsache, dass es "den Spielleiter" sowieso nicht gibt. Viele Spiele, die einen SL benutzen, erwarten ganz verschiedene Dinge von diesem und durch häufig unklare Regeln entstehen auch noch massig, verschiedene Interpretationen.
Ich liste hier mal ein paar Dinge auf, die über Spielleiter in verschiedenen Spielen so oder so ähnlich gesagt werden, und deren Konsequenzen.
- Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter nicht.
- Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter die Welt.
- Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter macht die Geschichte.
- Die Spieler spielen einen Protagonisten, der Spielleiter ist die Augen und Ohren der Protagonisten.
Aussage 2 gibt dem Spielleiter weite Gestaltungsrechte über den Hintergrund und die Situation, wobei sich hier schon die Frage stellt, wo der Protagonist auffhört und wo die Welt anfängt.
Aussage 3 wird von einigen Forgianern schon als Paradoxon bezeichnet und mit The Impossible Thing before Breakfast tituliert. Interpretationsmöglichkeiten für diesen Satz finden sich im gleichnamigen Artikeln, den ich unter Ressourcen verlinkt habe.
Aussage 4 hat wieder recht eindeutige Konsequenzen und beschränkt die Spieler ziemlich stark. Nur in den Wünschen und Gedanken ihres Protagonisten können sie noch frei wirken.
Besser als sich in deratigen Floskeln zu ergehen ist es jedoch die geforderten Handlungsmuster, der Handlungsmuster genau zu beschreiben. Fragen, die fürs Rollenspiel typischer Weise beantwortet werden müssen, sind unter Anderem:
- Wer spielt wann welchen Charakter?
- Wer legt Charakterwerte / Schwierigkeiten / sonstige Zahlen fest?
- Wer rahmt wann eine Szene? ("Szenen rahmen" bezeichnet dabei festzulegen, wie sich die Situation darstellt, wer anwesend ist, etc.)
- Wer interpetiert welche Eigenschaft / welchen Würfelwurf / etc.?
Dagegen ist es z.B. nicht nötig festzulegen, wer über Regelauslegungen oder Streitigkeiten in der Gruppe entscheidet. Die meisten Leser werden fähig sein alleine zu entscheiden, wie sie Probleme beilegen wollen.
Eine weitere Unart vieler Rollenspiele ist mangelnde Munition. Munition ("Ammo") ist ein Begriff, den Chris Chinn auf seinem Blog gepflückt hat und beschreibt Elemente, die der Spielleiter ins Spiel werfen kann.
Während praktisch alle Rollenspiele für die Spieler ziemlich klare Regeln und gute Werkzeuge bereithalten, blickt der SL häufig auf länglich ausgebreitete, aber nichtssagende "Spielleitertipps". (White Wolf und FanPro, ich hab euch genau im Auge.)
So ist z.B. das Leiten von D&D im simpelsten Fall relativ einfach: Ich gucke in mein Monster Manual suche mir was aus und stelle das den Spielern in den Weg. (Nicht ganz einfach, ist ein Monster in der passenden Gewichtsklasse zu finden, aber das ist ein anderes Thema.)
Auch in The Shadow of Yesterday hat der SL - nach allem, was mir berichtet wurde - einen schönen Waffenschrank. Man muss nur auf die "Keys" der SCs gucken und ihnen passende Elemente vorsetzen. Keys sind bestimmte Wünsche oder Eigenschaften, die die Charaktere haben und entstammen also dem weiten Feld der formalisierten Flaggen.
Dogs in the Vineyard geht noch systematischer an die Sache ran und liefert dem SL mit den "Town Creation Rules" die Mittel sich gleich eine ganze Geschützstellung auszurüsten.
Tatsächlich ist wohl die Legende des Guten SpielleitersTM dem Umstand zu verdanken, dass viele Spiele, ihre SLs ziemlich alleine lassen. Während es bei DitV relativ einfach ist, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, erfordert das Leiten von z.B. Gurps in Ermangelung aller Hilfsmittel schon eine gewisse Genialität.
Ich stelle hiermit die Behauptung auf, dass gute Rollenspiele von einem Spielleiter nicht weitaus mehr verlangen als von allen anderen Teilnehmern. Und so stellt sich auch nicht das Problem, dass auf die Frage "Wer leitet?" eine beklemmende Stille in den Raum einzieht.
Zuletzt fordern einige Spiele, besonders solche, bei denen die Spieler Herausforderungen bestehen sollen, von ihren SLs Dinge, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen. Wenn nämlich der SL gleichzeitig die Herausforderung vorbereiten, die Spieler mit Schätzen belohnen und die Regeln auslegen soll, entspräche das beim Fußball den Rollen von Trainer, Manager, gegnerischer Mannschaft und Schiri in Personalunion.
Wir können für ein vernünftiges Design also folgende Regeln ableiten:
- Lege genau fest, wer welche Aufgaben hat.
- Überlege dir, ob diese Verteilung Sinn macht.
- Gib jedem Werkzeuge, um seine Aufgabe möglichst effektiv auszufüllen.
Bis zum nächsten Mal.