Zuerst veröffentlicht im Grofafo: http://grofafo.org/index.php/topic,25217.0.html
In Vermis berühmten Faden "V:tM stripped" hat er ja gezeigt, das System mattert. Heute möchte ich an Vampire ein anderes Designprinzip darstellen.
Dazu ist eine Beobachtung wichtig: Rollenspiele bestehen aus verschiedenen "Teilen", die miteinander in Verbindung stehen. Diese Teile können Elemente des Hintergrunds, Elemente der Regeln, bestimmte Techniken sein oder Sachen auf die ich noch gar nicht gekommen bin.
Wir können nun folgendes annehmen: Teile, die mit vielen anderen verbunden sind, werden wichtig sein.
Eintritt: Der Patient. Frage: Welcher Teil ist der bestverknüpfte in Vampire und wie wirkt sich das aus?
Antwort Teil 1: Die Vampirkräfte. Die haben Verbindungen zum Clan, zu Attributen und Fertigkeiten (nötig zur Aktivierung), über den Blutpool zur täglichen Routine der Charaktere und über Kampfregeln und Wundstufen zur Sicherheit des Charakters.
Menschlichkeit dagegen, worum es nach Untertitel vornehmlich gehen sollte, hat lediglich unter bestimmten Umständen Einfluss auf soziale Proben und Rasereiproben, sowie auf die Resistenz gegen Sonnenlicht.
Versuch einer Antwort zu Teil 2: Nach meiner Beobachtung fangen viele Spieler (mich eingeschlossen) mit den Disziplinen an und bauen ihren Charakter darum. Dieses Vorgehen lässt sich unserer These gut begründen, da die Wahl der Diszplinen Einfluss auf all die oben genannten Bereiche hat.
Wir können die Beobachtung nun umdrehen und daraus einen Ratschlag zum Design machen: Wenn du einen Teil besonders wichtig machen willst, sorge dafür, dass er der bestverbundene ist.
Nehmen wir mal, wir wollen also aus Vampire ein Rollenspiel um den persönlichen Horror machen, dann müsste Menschlichkeit zum zentralen Angelpunkt des Systems werden. Das könnte so aussehen:
- Willenskraftpunkte, als Aktivresource, werden direkt an Menschlichkeit gebunden (also quasi als temporäre Punkte zu Menschlichkeit). - Tiere haben keine Willenskraft.
- Kontakte und Verbünde sind direkte Konsequenz aus Menschlichkeit.
- Soziale Attribute und Fertigkeiten dürfen nicht sein. Alle sozialen Proben werden direkt auf Menschlichkeit abgelegt.
Indem man Menschlichkeit bei der CharGen frei wählbar macht (mit evtl. Ausschluss von extremen Werten), kann man die Wichtigkeit von Menschlichkeit noch erhöhen (~ Contested Gauge Pattern). Die nicht ausgefüllten Punkte entsprächen folglich der Stärke des Tiers und könnten so eine Grundlage für die Vampirkräfte bilden (oder Einfluss darauf haben). Da Cool Powerz von sich aus einen hohen Aufforderungscharakter haben, könnte dieses Vorgehen tatsächlich für einen Gewissenskonflikt auf Seiten der Spieler sorgen.
Donnerstag, Mai 25, 2006
Skat, Bälle, Backbücher und GRWs
Zuerst veröffentlicht im Grofafo: http://grofafo.org/index.php/topic,23183
Die Frage, was eigentlich Rollenspiel ist, ist ja nicht ganz einfach und man kann da wirklich lange drüber diskutieren, aber das will ich hier eigentlich gar nicht bequatschen. Es geht nämlich um die ganz handfesten Sachen, die vielseitigen (1€ in die Wortspielkasse), mal mehr oder weniger gut ausschauenden Dinger im Schrank. Und von denen eigentlich auch nur um ganz bestimmte, nämlich diese "Grundregelwerke".
Die Frage ist, was tut so ein Werk eigentlich? Was kann es tun? Was soll es tun? Und um gleich mal provokant zu werden, warum tun sie so oft nicht das, was sie sollen?
Schauen wir uns doch erstmal den Namen an: "Grundregelwerk". Offenbar soll das Buch eine Art Grundlage bilden und dem Namen nach enthält es gewisse Regeln. Wenn man zu unseren Englisch sprechenden Kollegen schaut dann gibt’s da "core books". Die sind wohl auch zentral, aber die Regeln sind da nicht im Titel. Scheinbar sind diese Regeln aber zumindest irgendwie gemeint. Wenn ich Vampire: Requiem von Schreibwerkzeug&Mordgerät käuflich erwerben will, werde ich gewarnt: "Vorsicht, da sind die Regeln nicht drin. Du brauchst auch das blaue GRUNDREGELWERK." Da isses wieder. Und scheinbar kann man wohl Grundregelwerke nur mit Regeln und ohne viel anderes machen und das geht dann auch bei den Engländern als "core book" durch. Gurps macht das z.B. sehr eindrucksvoll vor und bei D&D ist das eigentlich auch nicht anders.
Nächster wichtiger Schritt ist also sich mal damit zu beschäftigen, was diese Regeln denn eigentlich tun. Zum Vergleich betrachte ich mal typische Gesellschaftsspiele wie Schach, Rommé oder Siedler von Catan an. Die haben eigentlich immer drei Phasen. Das sind erstens die Spielvorbereitung, dann der Spielablauf und natürlich das Spielziel. Eigentlich total einfach.
Bevor ich mich jetzt damit beschäftige, was Rollenspielregelwerke leisten, noch zwei kurze Beobachtungen:
1.) Rollenspiele werden selten so gespielt, wie sie im Buch stehen. Ob durch Unkenntnis oder bewusst es wird regelmäßig gehausregelt.
2.) Rollenspielgrundregelwerke versagen regelmäßig. Im Gegensatz zur Spielanleitung von Siedler von Catan, weiß ich, wenn ich ein Rollenspiel gelesen habe, noch nicht notwendigerweise, was ich damit tun soll. Das sieht man schon daran, dass es in einschlägigen Foren immer wieder Fragen gibt allà: "Ich hab jetzt das Buch gelesen und finds total super. Aber was für Abenteuer spielt man da jetzt eigentlich so?"
Bei Punkt (2) können wir wohl guten Gewissens davon ausgehen, dass das schlecht ist. Ambitionen, sich als Autor zu betätigen, gebieten es daher nach Gründen für solche Probleme zu suchen und ggf. Abhilfe zu schaffen. Punkt (1) scheint per se nicht schlecht zu sein, da er selten den Spielspaß senkt. Die Gründe für das Auftreten von Hausregeln bei Rollenspielen im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsspielen könnten aber trotzdem interessant sein.
Und genau mit diesen Hausregeln mach ich jetzt weiter, denn sie sind zum Verständnis des Gegenstandes Rollenspiel fundamental. Die einfachste Möglichkeit um festzustellen, warum Hausregeln bei anderen Gesellschaftsspielen selten auftreten, ist sich einfach eins herzunehmen, etwa Skat. Was wäre wohl, wenn die Punktwerte beim Reizen - definitiv ein wichtiger Teil des Spiels - anders wären? Abgesehen davon, dass einige Spieler das Spiel dann mehr oder weniger spannend finden würden, würden die Spieler vor allem anders reizen. Sie würden ihre Taktiken anpassen.
Es macht also wenig Sinn die Regeln beim Skat zu ändern. Verallgemeinert kann man sagen: Wenn ein fairer Wettkampf das alleinige Spielziel ist, ist jede faire Regel rational. Betrachtet man etwa Volleyball und Tischtennis, so wurden bei diesen Sportarten die Zählweise bzw. die Ballgröße vor allem verändert, um das Spiel für die Zuschauer interessanter zu machen und nicht für die Spieler. Die hatten da auch vorher Spaß dran.
Die Tatsache, dass im Rollenspiel gehausregelt wird, lässt dann darauf schließen, dass in entsprechenden Fällen fairer Wettkampf nicht die Hauptintention war. Eine gewisse Intention wird aber wohl da sein, sonst würde sich die Rollenspielerschaft nicht regelmäßig diese Mühe machen.
Nun zur Ratlosigkeit der neuen Spieler. Auch für diese lässt sich ein schöner Vergleich finden. Sie ähnelt in gewisser Weise der Ratlosigkeit, die manche Kinder haben, wenn sie mit ihrem Ball nichts anzufangen wissen. Klar, einige nehmen sich sofort den Ball und können damit stundenlang spielen, aber bei anderen klappt das irgendwie nicht so. Upps, mein Vergleich hinkt ja. Bälle sind gar keine Spiele, sondern Spielzeuge. Aber ich kann das Spielzeug Ball ganz schnell zu einem Ballspiel machen, einfach indem ich mir ein paar Regeln ausdenke, z.B. „Pritsch den Ball so oft hoch wie möglich.“.
Und jetzt die provokante These: Die meisten Rollenspiele sind keine Spiele, sondern Spielzeuge, was dann bedeuten muss, dass sie keine Regeln in dem Sinne haben, wie wir sie beim Schach, beim Tischtennis oder beim „Pritsch den Ball so oft hoch wie möglich!“ haben.
Die These ist gar nicht von der Hand zu weisen, da ich doch schon des öfteren gehört habe, dass Rollenspielregeln die „Physik der Spielwelt“ seien. Das entspräche dann wohl etwa, den Gesetzen der newtonschen Physik, denen mein Volleyball unterliegt. Das heißt nicht ganz, Rollenspiele wären dann Bälle, bei denen ich die Gesetze der newtonschen Physik beliebig hausregeln kann. Und das kann die Verwirrung zumindest nicht verkleinern.
Folgerung ist, dass man, um dem verwirrten Spieler aus seinem Dilemma zu helfen, dem Rollenspiel vielleicht gleich ein paar relevante Regeln einbauen sollte. Da bietet es sich natürlich an, auf Erprobtes zurückzugreifen, nämlich Regeln zur Spielvorbereitung, zum Spielablauf und ein Spielziel.
Tatsächlich sind bei genauerer Betrachtung Spielvorbereitung und Spielablauf nämlich häufig keineswegs vernünftig geregelt und ein Spielziel fehlt oft ganz. Die Spielvorbereitung hat meist einen ganz ausführlichen Teil, die Erschaffung der SCs, und hört damit auf. Was die Abenteuergestaltung angeht, beschränken sich viele Spiele darauf, anzumerken, dass man sich doch ein interessantes Thema suchen sollte (ohne zu sagen, wie man da rankommt). Der Spielablauf ist ähnlich detailliert beschrieben, wenn überhaupt.
Wünschenswert wäre also für beide Bereiche eine Art Checkliste, die ich abarbeiten kann. Und nein - bevor einige Leute Ausschlag kriegen - dafür muss man nicht mal in diese ominöse Indie-Ecke schauen. Star Trek von Decipher macht das z.B. sehr schön vor. Da findet sich nämlich im SL-Handbuch der Aufbau einer Star Trek-Folge mit fünf Teilen und drei Zwischenstücken, die der geneigte „Narrator“ abarbeiten kann. Wie wunderbar einfach und wie wunderbar Star Trek.
Ich weiß, jetzt kommen sofort die Einwände, dass das vielleicht für bestimmte Zwecke - etwa Star Trek - ganz gut sei, aber im Allgemeinen doch die kreative Freiheit einschränken würde. Wer mich kennt bzw. die Überschrift aufmerksam gelesen hat, weiß, dass ich noch einen in Hinterhand habe: Die Backbücher. (Kochbücher gingen auch, aber ich kann besser backen als kochen.)
Wenn ich erstmal backen kann, kann ich an dem Rezept, das drin steht, auch drehen. Vielleicht nehm ich lieber Pfirsich als Ananas. Aber ich würde mich doch sehr wundern, wenn das Rezept für Marzipankuchen so aussehen würde:
Leider sehen viele Rollenspielwerke grade so aus (und das Marzipan habe ich ganz bewusst nicht erwähnt). Ich würde damit vermutlich sogar einen essbaren Kuchen hinbekommen und sei es, dass es mein allseits beliebter Schokokuchen wird. Aber eigentlich wollte ich doch lernen, wie man Marzipankuchen macht. Rumspielen kann ich an dem Rezept später noch.
Also liebe Rollenspielautoren, macht doch eure Grundregelwerke mehr wie Kochbücher. Da ist vermutlich vielen mit geholfen und eigentlich keinem mit geschadet. Und seid euch des Weiteren gewiss, dass ich auch kein Verständnis dafür hätte, um herauszufinden wie lange der Kuchen jetzt in die Röhre muss, mir den Erweiterungsband „Marzipantorte im Ofen“ anzuschaffen.
Hab ich was vergessen? Ach, ja. Das Spielziel. Das kann einem Rollenspiel eigentlich auch nicht schaden, da es nämlich eigentlich bei allen Spielen die wichtigste Regel ist. Natürlich muss „Spielziel“ nicht „Spielende“ bedeuten. Ich kann meinen Volleyball ja auch so lange so oft hochpritschen wie ich Lust habe. Aber es empfiehlt sich schon, das auch irgendwie im Buch einzubauen. (Stichwort: Genuss des Marzipans.)
So und wer jetzt immer noch glaubt, dass Rollenspieltheorie total sinnfrei ist, kann sich zumindest mit mir darüber freuen, dass ich Ferien und daher Zeit habe, so lange Texte zu produzieren.
Die Frage, was eigentlich Rollenspiel ist, ist ja nicht ganz einfach und man kann da wirklich lange drüber diskutieren, aber das will ich hier eigentlich gar nicht bequatschen. Es geht nämlich um die ganz handfesten Sachen, die vielseitigen (1€ in die Wortspielkasse), mal mehr oder weniger gut ausschauenden Dinger im Schrank. Und von denen eigentlich auch nur um ganz bestimmte, nämlich diese "Grundregelwerke".
Die Frage ist, was tut so ein Werk eigentlich? Was kann es tun? Was soll es tun? Und um gleich mal provokant zu werden, warum tun sie so oft nicht das, was sie sollen?
Schauen wir uns doch erstmal den Namen an: "Grundregelwerk". Offenbar soll das Buch eine Art Grundlage bilden und dem Namen nach enthält es gewisse Regeln. Wenn man zu unseren Englisch sprechenden Kollegen schaut dann gibt’s da "core books". Die sind wohl auch zentral, aber die Regeln sind da nicht im Titel. Scheinbar sind diese Regeln aber zumindest irgendwie gemeint. Wenn ich Vampire: Requiem von Schreibwerkzeug&Mordgerät käuflich erwerben will, werde ich gewarnt: "Vorsicht, da sind die Regeln nicht drin. Du brauchst auch das blaue GRUNDREGELWERK." Da isses wieder. Und scheinbar kann man wohl Grundregelwerke nur mit Regeln und ohne viel anderes machen und das geht dann auch bei den Engländern als "core book" durch. Gurps macht das z.B. sehr eindrucksvoll vor und bei D&D ist das eigentlich auch nicht anders.
Nächster wichtiger Schritt ist also sich mal damit zu beschäftigen, was diese Regeln denn eigentlich tun. Zum Vergleich betrachte ich mal typische Gesellschaftsspiele wie Schach, Rommé oder Siedler von Catan an. Die haben eigentlich immer drei Phasen. Das sind erstens die Spielvorbereitung, dann der Spielablauf und natürlich das Spielziel. Eigentlich total einfach.
Bevor ich mich jetzt damit beschäftige, was Rollenspielregelwerke leisten, noch zwei kurze Beobachtungen:
1.) Rollenspiele werden selten so gespielt, wie sie im Buch stehen. Ob durch Unkenntnis oder bewusst es wird regelmäßig gehausregelt.
2.) Rollenspielgrundregelwerke versagen regelmäßig. Im Gegensatz zur Spielanleitung von Siedler von Catan, weiß ich, wenn ich ein Rollenspiel gelesen habe, noch nicht notwendigerweise, was ich damit tun soll. Das sieht man schon daran, dass es in einschlägigen Foren immer wieder Fragen gibt allà: "Ich hab jetzt das Buch gelesen und finds total super. Aber was für Abenteuer spielt man da jetzt eigentlich so?"
Bei Punkt (2) können wir wohl guten Gewissens davon ausgehen, dass das schlecht ist. Ambitionen, sich als Autor zu betätigen, gebieten es daher nach Gründen für solche Probleme zu suchen und ggf. Abhilfe zu schaffen. Punkt (1) scheint per se nicht schlecht zu sein, da er selten den Spielspaß senkt. Die Gründe für das Auftreten von Hausregeln bei Rollenspielen im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsspielen könnten aber trotzdem interessant sein.
Und genau mit diesen Hausregeln mach ich jetzt weiter, denn sie sind zum Verständnis des Gegenstandes Rollenspiel fundamental. Die einfachste Möglichkeit um festzustellen, warum Hausregeln bei anderen Gesellschaftsspielen selten auftreten, ist sich einfach eins herzunehmen, etwa Skat. Was wäre wohl, wenn die Punktwerte beim Reizen - definitiv ein wichtiger Teil des Spiels - anders wären? Abgesehen davon, dass einige Spieler das Spiel dann mehr oder weniger spannend finden würden, würden die Spieler vor allem anders reizen. Sie würden ihre Taktiken anpassen.
Es macht also wenig Sinn die Regeln beim Skat zu ändern. Verallgemeinert kann man sagen: Wenn ein fairer Wettkampf das alleinige Spielziel ist, ist jede faire Regel rational. Betrachtet man etwa Volleyball und Tischtennis, so wurden bei diesen Sportarten die Zählweise bzw. die Ballgröße vor allem verändert, um das Spiel für die Zuschauer interessanter zu machen und nicht für die Spieler. Die hatten da auch vorher Spaß dran.
Die Tatsache, dass im Rollenspiel gehausregelt wird, lässt dann darauf schließen, dass in entsprechenden Fällen fairer Wettkampf nicht die Hauptintention war. Eine gewisse Intention wird aber wohl da sein, sonst würde sich die Rollenspielerschaft nicht regelmäßig diese Mühe machen.
Nun zur Ratlosigkeit der neuen Spieler. Auch für diese lässt sich ein schöner Vergleich finden. Sie ähnelt in gewisser Weise der Ratlosigkeit, die manche Kinder haben, wenn sie mit ihrem Ball nichts anzufangen wissen. Klar, einige nehmen sich sofort den Ball und können damit stundenlang spielen, aber bei anderen klappt das irgendwie nicht so. Upps, mein Vergleich hinkt ja. Bälle sind gar keine Spiele, sondern Spielzeuge. Aber ich kann das Spielzeug Ball ganz schnell zu einem Ballspiel machen, einfach indem ich mir ein paar Regeln ausdenke, z.B. „Pritsch den Ball so oft hoch wie möglich.“.
Und jetzt die provokante These: Die meisten Rollenspiele sind keine Spiele, sondern Spielzeuge, was dann bedeuten muss, dass sie keine Regeln in dem Sinne haben, wie wir sie beim Schach, beim Tischtennis oder beim „Pritsch den Ball so oft hoch wie möglich!“ haben.
Die These ist gar nicht von der Hand zu weisen, da ich doch schon des öfteren gehört habe, dass Rollenspielregeln die „Physik der Spielwelt“ seien. Das entspräche dann wohl etwa, den Gesetzen der newtonschen Physik, denen mein Volleyball unterliegt. Das heißt nicht ganz, Rollenspiele wären dann Bälle, bei denen ich die Gesetze der newtonschen Physik beliebig hausregeln kann. Und das kann die Verwirrung zumindest nicht verkleinern.
Folgerung ist, dass man, um dem verwirrten Spieler aus seinem Dilemma zu helfen, dem Rollenspiel vielleicht gleich ein paar relevante Regeln einbauen sollte. Da bietet es sich natürlich an, auf Erprobtes zurückzugreifen, nämlich Regeln zur Spielvorbereitung, zum Spielablauf und ein Spielziel.
Tatsächlich sind bei genauerer Betrachtung Spielvorbereitung und Spielablauf nämlich häufig keineswegs vernünftig geregelt und ein Spielziel fehlt oft ganz. Die Spielvorbereitung hat meist einen ganz ausführlichen Teil, die Erschaffung der SCs, und hört damit auf. Was die Abenteuergestaltung angeht, beschränken sich viele Spiele darauf, anzumerken, dass man sich doch ein interessantes Thema suchen sollte (ohne zu sagen, wie man da rankommt). Der Spielablauf ist ähnlich detailliert beschrieben, wenn überhaupt.
Wünschenswert wäre also für beide Bereiche eine Art Checkliste, die ich abarbeiten kann. Und nein - bevor einige Leute Ausschlag kriegen - dafür muss man nicht mal in diese ominöse Indie-Ecke schauen. Star Trek von Decipher macht das z.B. sehr schön vor. Da findet sich nämlich im SL-Handbuch der Aufbau einer Star Trek-Folge mit fünf Teilen und drei Zwischenstücken, die der geneigte „Narrator“ abarbeiten kann. Wie wunderbar einfach und wie wunderbar Star Trek.
Ich weiß, jetzt kommen sofort die Einwände, dass das vielleicht für bestimmte Zwecke - etwa Star Trek - ganz gut sei, aber im Allgemeinen doch die kreative Freiheit einschränken würde. Wer mich kennt bzw. die Überschrift aufmerksam gelesen hat, weiß, dass ich noch einen in Hinterhand habe: Die Backbücher. (Kochbücher gingen auch, aber ich kann besser backen als kochen.)
Wenn ich erstmal backen kann, kann ich an dem Rezept, das drin steht, auch drehen. Vielleicht nehm ich lieber Pfirsich als Ananas. Aber ich würde mich doch sehr wundern, wenn das Rezept für Marzipankuchen so aussehen würde:
Zitat
Nehmen sie etwas Mehl und ein bisschen Backpulver, ein wenig Milch und Magarine und was Ihnen sonst noch so einfällt und schieben sie den gerührten Teig in den Ofen.
Leider sehen viele Rollenspielwerke grade so aus (und das Marzipan habe ich ganz bewusst nicht erwähnt). Ich würde damit vermutlich sogar einen essbaren Kuchen hinbekommen und sei es, dass es mein allseits beliebter Schokokuchen wird. Aber eigentlich wollte ich doch lernen, wie man Marzipankuchen macht. Rumspielen kann ich an dem Rezept später noch.
Also liebe Rollenspielautoren, macht doch eure Grundregelwerke mehr wie Kochbücher. Da ist vermutlich vielen mit geholfen und eigentlich keinem mit geschadet. Und seid euch des Weiteren gewiss, dass ich auch kein Verständnis dafür hätte, um herauszufinden wie lange der Kuchen jetzt in die Röhre muss, mir den Erweiterungsband „Marzipantorte im Ofen“ anzuschaffen.
Hab ich was vergessen? Ach, ja. Das Spielziel. Das kann einem Rollenspiel eigentlich auch nicht schaden, da es nämlich eigentlich bei allen Spielen die wichtigste Regel ist. Natürlich muss „Spielziel“ nicht „Spielende“ bedeuten. Ich kann meinen Volleyball ja auch so lange so oft hochpritschen wie ich Lust habe. Aber es empfiehlt sich schon, das auch irgendwie im Buch einzubauen. (Stichwort: Genuss des Marzipans.)
So und wer jetzt immer noch glaubt, dass Rollenspieltheorie total sinnfrei ist, kann sich zumindest mit mir darüber freuen, dass ich Ferien und daher Zeit habe, so lange Texte zu produzieren.
Workshop auf dem NordCon 06
Ja, moin.
Wo ich hier schon mal einen Blog zu meinem Account dazubekommen hab, kann ich damit ja mal, was vernünftiges tun. Etwa die Kernpunkte meines Workshops zum Thema Rollenspieldesign zusammenfassen. Dieser fand am Sonntag um 15:00 statt und ich freue mich, dass sich doch noch einige Leute das etwas trockene Thema antun wollten.
Teile eines Rollenspiels
Angefangen habe ich mit einer Einteilung eines Rollenspiels in verschiedene Teile. Hier noch einmal die Hintergründe meines Tuns:
Die meisten Teilen Rollenspiel einfach in "Setting" und "System" ein. Diese Teilung ist allerdings häufig verwirrend, da die Begriffe Setting und System mehrdeutig sind. So bezeichnet "System" gelegentlich:
Wo ich hier schon mal einen Blog zu meinem Account dazubekommen hab, kann ich damit ja mal, was vernünftiges tun. Etwa die Kernpunkte meines Workshops zum Thema Rollenspieldesign zusammenfassen. Dieser fand am Sonntag um 15:00 statt und ich freue mich, dass sich doch noch einige Leute das etwas trockene Thema antun wollten.
Teile eines Rollenspiels
Angefangen habe ich mit einer Einteilung eines Rollenspiels in verschiedene Teile. Hier noch einmal die Hintergründe meines Tuns:
Die meisten Teilen Rollenspiel einfach in "Setting" und "System" ein. Diese Teilung ist allerdings häufig verwirrend, da die Begriffe Setting und System mehrdeutig sind. So bezeichnet "System" gelegentlich:
- Ganze Rollenspiele ("Ich habe 10 Systeme im Schrank.")
- Die Regeln eines Spiels
- Nur die Spielmechanik
- Nur Teile von Regeln oder Spielmechanik ("Ich mag das Kampfsystem.")
System (including but not limited to 'the rules') is defined as the means by which the group agrees to imagined events during play.
Diese Definition ist etwas schwammig, sie kann entweder die Menge aller Techniken oder die Menge aller Resolutionstechniken bezeichnen (s.u.).
Setting ist dagegen etwas klarer, aber nicht viel. Setting kann bedeuten:
Häufig hört man auch die Aussage, dass Setting viel wichtiger als System sei. Dies allerdings ist nun Ergebnis der Vermischung vollständig verschiedener Ebenen. Daher nochmal einen Schritt zurück und genau hingeschaut.
Meines Erachtens muss man im Rollenspiel drei Dinge gleichberechtigt betrachten, die alle einen gewissen Eigenwert haben. Die also alle für sich zum Genuss des Rollenspiels beitragen können und tatsächlich Geschmackssache sind. Dabei handelt es sich, eben um Hintergrund, Core Story und den Spielstil.
Spielstil bezeichne dabei die Handlungen der Spieler, wie z.B. "taktische Entscheidungen treffen", "sich in seinen Charakter versenken". Eine gute Analyse dieser Handlungen haben Eetu Mäkelä u.a. in ihrem Process Modell of Role-playing geliefert.
Neben diesen drei Teilen enthalten Rollenspiele noch Regeln. Um zu erklären, was eine Regel ist, muss man sich zuerst vor Augen führen, was Techniken (oder nach Terminologie des Process Modells "Methods") sind. Als Techniken lassen sich alle wiederholbaren Handlungen auffassen, die einen bestimmten Zweck im Sinn haben.
Beispiele für Techniken sind also etwa:
Ich habe auf dem Workshop noch ein paar Beispiele für Kategorien von Techniken gegeben, das aber wegen Zeitmangels abgebrochen. Ich liefer das in ein paar Tagen nach.
Anwendung auf die Entwicklung von Rollenspielen
Bis hier hin war von Rollenspieldesign noch gar nicht die Rede, sondern die ganze Betrachtung bezieht sich allein auf Rollenspiel an sich. Ein Autor kann nun in seinem Werk jeden der drei eigenständigen Teile präsentieren. Dabei werden sie normalerweise verflochten, so dass eine Unterscheidung unter Umständen schwierig wird.
Wenn man sich für bestimmte Setzungen in diesen Bereichen entschieden hat, kann man nun daran gehen Regeln zu designen, die die gemachten Setzungen unterstützen. Natürlich kann ein Autor nicht darauf vertrauen, dass sein Rollenspiel so gespielt wird, wie er es gedacht hat. Insofern sind können alle gedruckten Regeln (wie auch die Inhalte bei den eigenständigen Teilen) nur Empfehlungen sein.
Die Frage ist natürlich, welche Regeln nun passend sind. Das lässt sich natürlich nur im Einzelfall entscheiden, allerdings lässt sich eine Faustregel erkennen, mit der Regeln von den drei eigenständigen Teilen abgeleitet werden können:
Bei diesem einfachen Gedankengang fallen aber bereits einige Dinge auf:
Es geht jedoch regelmäßig schief, wenn man zwar einen Hintergrund erarbeitet, aber keine Core Story liefert. Es gibt dann zwar häufig Leute, die ganz von alleine erkennen, was man auf diesem Hintergrund machen kann, aber viele Leuten werden vermutlich mit den Achseln zucken. (Vergleiche meinen Aufsatz über Backbücher.)
Natürlich ist der hier beschriebene Ablauf "Erst eigenständige Teile wählen, dann Regeln ableiten" stark vereinfacht. So benutzen etwa viele Rollenspiele den Hintergrund nicht eigenständig, sondern wie die Regeln zur Unterstützung der Core Story. Das muss aber nicht so sein.
Fiktion und Mechanik
Als nächstes bin ich ein wenig auf die Unterscheidung zwischen Fiktion und Spielwerten eingegangen. Beim Rollenspiel entsteht notwendiger Weise eine fiktive Umgebung, die sich während des Spiels verändert (Auch bekannt als gemeinsamer Vorstellungsraum, Shard Imaginary Space, SIS).
Daneben können bestimmte Spielwerte benutzt werden. - Dabei handelt es sich natürlich um Techniken. - Allerings haben diese beiden Ebenen, die Fiktion und die Mechanik, noch nichts miteinander zu tun.
So kann es z.B. in der Mechanik Werte geben, die sich in keiner Weise in der Fiktion niederschlagen, wie z.B. der namensgebende Pool bei "The Pool". Andersherum haben natürlich die meisten Dinge, die erzählt werden, keine Entsprechung in irgendwelchen Zahlenwerten.
Besteht eine Beziehung zwischen Fiktion und Mechanik, dient die Mechanik als eine Art Modell für die Fiktion, um bestimmte Dinge besser nachvollziehen zu können oder um ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Man kann sagen, dass ein Teil der Fiktion modelliert wird.
Wie auch bei allen anderen Techniken muss sich ein Designer natürlich genau überlegen, was er modellieren will. Die meisten Rollenspielen modellieren die Eigenschaften beliebiger Charaktere, sowie Waffen, Zaubersprüche usw.
WuShu, 7te See und viele andere modellieren nur die Eigenschaften wichtiger Charaktere und namenlose Schläger werden nur als "Gruppe von Schlägern" modelliert.
Capes schließlich modelliert ein Objekt entweder gar nicht oder wie einen Charakter. D.h. man kann die "Liebe zwischen Gambit und Rogue" genauso als Charakter bauen, wie Gambit und Rogue.
Eine schöne Möglichkeit die Beziehungen von Werten graphisch darzustellen, hat John Kirk in seinen Design Patterns in RPG erklärt. Ich kann die Lektüre des Werks auch ansonsten empfehlen.
Voraussetzungen und Vorgehen
Was muss ein Rollenspieldesigner also können und wie fängt man an?
Zuerst mal sollte man sich natürlich mit Rollenspielen beschäfigt haben. Ich bin häufig erstaunt, wie wenig Rollenspiele einige Leute kennen, die selbst welche schreiben wollen. Wichtig ist dabei nicht unbedingt viele Rollenspiele zu kennen, sondern solche, die sich möglichst stark unterscheiden. Nur dann kann man abstrahieren und letztendlich seinen eigenen Ansatz finden.
Wenn man jetzt loslegen will, macht man natürlich erstmal ein Konzept, überlegt sich Regeln, etc. Dann heißt es testen. Allein schon deshalb kann ich alleine gar keine allzu komplexen Regeln schreiben, weil ich sie selbst nicht alle testen könnte. Wer wirklich professionell arbeiten will, sollte auch fremde Leute gewinnen, die das Spiel ohne weitere mithilfe testen. Am besten setzt man sich dann still dazu oder nochbesser stellt eine Videokamera auf.
Eine große Hilfe ist es, sich mit kompetenten Leuten über die Ideen zu unterhalten. Häufig gibt es nämlich schon ähnliche Konzepte, wie man sie selber benutzen möchte. Es empfiehlt sich dann natürlich, sich entsprechende Spiele anzuschauen. Einschlägige Internetforen sind etwa Das Große Fantasy-Forum (eigentlich ein allgemeines Fantasy- & Rollenspielforum, aber mit großem Design- und Theoriebereich), das Forum engagierter Rollenspielautoren oder auf Englsich die Forge und Story Games.
Letztendlich muss man aber irgendwann fertig werden und den Kreis von Testen und Verbessern durchbrechen. Das ist vor allem wichtig, um auf seine Tätigkeit zurückblicken zu können. Denn wie bei allen Dingen fällt auch beim Spieldesign selten Meister vom Himmel. Es ist daher eine gute Idee zuerst mit kleinen Dingen anzufangen und nicht mit dem "Rollenspiel, das ich schon immer spielen wollte". Daher sind Projekte wie die Kurzzeit-Wettkämpfe, bei denen ein Rollenspiel z.B. in 24 Stunden geschrieben werden soll, ein sehr gutes Training. Möglichkeiten hierzu gibt es z.B. in verschiedene Projekte, die über 1000 Monkeys, 1000 Typewriters laufen, darunter der jährlichen Game Chef Contest, bei dem die Teilnehmer eine Woche Zeit haben. In den letzten Jahren hat auch das FERA einen 24h-Contest angesetzt, wobei hier mangels Vorgaben allerdings meines Erachtens kaum ein Trainingseffekt erzielt wird. Daneben hat vor kurzem das Grofafo einen 72h-Contest ausgerichtet.
Über konkretes Design hinaus kannn es keinesfalls schaden, sich auch theoretisch mit Rollenspielen zu beschäftigen. Wer Literaturtheorie kann, schreibt zwar noch nicht notwendigerweise bessere Bücher, im Großen und Ganzen lässt sich ein gewisser Nutzen wohl nicht verneinen. Auch dazu könnte ich jetzt eine ganze Reihe Links angeben, vielfach Blogs einzelner Leute, aber ich empfehle zum Einstieg das GroFaFo.
Wer schon weiter mit einem Spiel fortgeschritten ist, dem sei das Projekt Odyssee ans Herz gelegt, das Autoren auf Cons und Messen eine Plattform gibt.
Ungewöhnliche und interessante Spiele
So. Hier wie versprochen einige Links. Ich hab hier jetzt nur Spiele aufgenommen, die ich schon selber gespielt habe.
Diese Definition ist etwas schwammig, sie kann entweder die Menge aller Techniken oder die Menge aller Resolutionstechniken bezeichnen (s.u.).
Setting ist dagegen etwas klarer, aber nicht viel. Setting kann bedeuten:
- Den Hintergrund, vor dem das Rollenspiel spielt. Also z.B. Aventurien bei DSA, die 6. Welt bei Shadowrun oder die 1920er bei Chtulluh. Dieser Teil wird auch "Welt" oder "Szenerie" bezeichnet.
- Das, was die Charaktere tun. Also bei D&D Monster töten, ihr Zeug klauen und mächtige Helden werden, bei Shadowrun als Söldner für Konzerne (o.ä.) tätig sein, etc. Diese Bezeichnung scheint besonders im englischen Sprachraum gängig zu sein. Andere Bezeichnungen sind "Core Story" oder "Default Mission".
- Beides auf einmal in verschiedener Gewichtung.
Häufig hört man auch die Aussage, dass Setting viel wichtiger als System sei. Dies allerdings ist nun Ergebnis der Vermischung vollständig verschiedener Ebenen. Daher nochmal einen Schritt zurück und genau hingeschaut.
Meines Erachtens muss man im Rollenspiel drei Dinge gleichberechtigt betrachten, die alle einen gewissen Eigenwert haben. Die also alle für sich zum Genuss des Rollenspiels beitragen können und tatsächlich Geschmackssache sind. Dabei handelt es sich, eben um Hintergrund, Core Story und den Spielstil.
Spielstil bezeichne dabei die Handlungen der Spieler, wie z.B. "taktische Entscheidungen treffen", "sich in seinen Charakter versenken". Eine gute Analyse dieser Handlungen haben Eetu Mäkelä u.a. in ihrem Process Modell of Role-playing geliefert.
Neben diesen drei Teilen enthalten Rollenspiele noch Regeln. Um zu erklären, was eine Regel ist, muss man sich zuerst vor Augen führen, was Techniken (oder nach Terminologie des Process Modells "Methods") sind. Als Techniken lassen sich alle wiederholbaren Handlungen auffassen, die einen bestimmten Zweck im Sinn haben.
Beispiele für Techniken sind also etwa:
- In der 1. Person sprechen, um eine tiefere Identifizierung mit einem Charakter herzustellen.
- In der 3. Person sprechen, um das Augenmerk eher auf die Geschichte zu legen.
- Das Licht dimmen, um eine gruselige Atmosphäre zu erzeugen.
- Charaktere, Gegenstände, Teile der Szenerie mit Werten ausstatten, um Voraussagen über ihr Verhalten und ihre Fähgigkeiten machen zu können.
- Einen Spielleiter haben, um den Protagonisten Oppositon zu bieten.
- Einen Spielleiter haben, damit sich die anderen Teilnehmer voll auf ihre Charaktere konzentrieren können.
Ich habe auf dem Workshop noch ein paar Beispiele für Kategorien von Techniken gegeben, das aber wegen Zeitmangels abgebrochen. Ich liefer das in ein paar Tagen nach.
Anwendung auf die Entwicklung von Rollenspielen
Bis hier hin war von Rollenspieldesign noch gar nicht die Rede, sondern die ganze Betrachtung bezieht sich allein auf Rollenspiel an sich. Ein Autor kann nun in seinem Werk jeden der drei eigenständigen Teile präsentieren. Dabei werden sie normalerweise verflochten, so dass eine Unterscheidung unter Umständen schwierig wird.
Wenn man sich für bestimmte Setzungen in diesen Bereichen entschieden hat, kann man nun daran gehen Regeln zu designen, die die gemachten Setzungen unterstützen. Natürlich kann ein Autor nicht darauf vertrauen, dass sein Rollenspiel so gespielt wird, wie er es gedacht hat. Insofern sind können alle gedruckten Regeln (wie auch die Inhalte bei den eigenständigen Teilen) nur Empfehlungen sein.
Die Frage ist natürlich, welche Regeln nun passend sind. Das lässt sich natürlich nur im Einzelfall entscheiden, allerdings lässt sich eine Faustregel erkennen, mit der Regeln von den drei eigenständigen Teilen abgeleitet werden können:
- Regeln, die den Spielstil unterstützen, erleichtern bzw. erschweren oder belohnen bzw. bestrafen bestimmte Handlungen. So ist es z.B. in The Puddle ganz unmöglich taktisch mit Resourcen umzugehen (i.e. Powergaming zu betreiben), in D&D dagegen offenbar erwünscht.
- Regeln, die die Core Story, unterstützen, liefern Methoden, die benötigt werden, um das Spiel nach Gesichtspunkten der Core Story zu strukturieren und beleuchten die notwenigen Elemente. So liefert etwa Ars Magica viel ausgefeiltere Magieregeln als Shadowrun, da hier der Fokus auf dem Spielen von Magiern liegt.
- Regeln, die den Hintergrund unterstützen, werden gleichsam zum Medium für den Hintergrund. So vermittelt schon das Auswürfeln des Geburtstags bei früheren DSA-Editionen schon eine gewisse Kenntnis der 12 Götter und des aventurischen Jahres.
Bei diesem einfachen Gedankengang fallen aber bereits einige Dinge auf:
- Vielfach geben Autoren nicht an, wozu einen Regel dient oder scheinen es selbst nicht zu wissen. Das ist schlecht, da so nicht erkennbar ist, ob die Spielrunde für ihre Zwecke nicht eher eine Änderung vornehmen sollte.
- Vielfach übernehmen Autoren Regeln aus anderen Spielen, ohne zu prüfen, ob überhaupt die Ziele gegeben sind. Das könnte daran liegen, dass im kopierten Spiel eben nicht angegeben war, wozu denn die Regel gedient hat. Typisches Beispiel ist hier das Vorhandensein eines Spielleiters, der mit Sicherheit eine gute Technik sein kann, wenn man sich denn klar gemacht hat, was er leisten soll und das auch genau beschreibt.
- Meistens sind sich Autoren nicht darüber im Klaren, dass zwischen (Optional-)Regeln und sog. "Spieltipps" eigentlich kein struktureller Unterschied besteht.
- Viele Autoren vergessen einen der drei eigenständigen Teile.
Es geht jedoch regelmäßig schief, wenn man zwar einen Hintergrund erarbeitet, aber keine Core Story liefert. Es gibt dann zwar häufig Leute, die ganz von alleine erkennen, was man auf diesem Hintergrund machen kann, aber viele Leuten werden vermutlich mit den Achseln zucken. (Vergleiche meinen Aufsatz über Backbücher.)
Natürlich ist der hier beschriebene Ablauf "Erst eigenständige Teile wählen, dann Regeln ableiten" stark vereinfacht. So benutzen etwa viele Rollenspiele den Hintergrund nicht eigenständig, sondern wie die Regeln zur Unterstützung der Core Story. Das muss aber nicht so sein.
Fiktion und Mechanik
Als nächstes bin ich ein wenig auf die Unterscheidung zwischen Fiktion und Spielwerten eingegangen. Beim Rollenspiel entsteht notwendiger Weise eine fiktive Umgebung, die sich während des Spiels verändert (Auch bekannt als gemeinsamer Vorstellungsraum, Shard Imaginary Space, SIS).
Daneben können bestimmte Spielwerte benutzt werden. - Dabei handelt es sich natürlich um Techniken. - Allerings haben diese beiden Ebenen, die Fiktion und die Mechanik, noch nichts miteinander zu tun.
So kann es z.B. in der Mechanik Werte geben, die sich in keiner Weise in der Fiktion niederschlagen, wie z.B. der namensgebende Pool bei "The Pool". Andersherum haben natürlich die meisten Dinge, die erzählt werden, keine Entsprechung in irgendwelchen Zahlenwerten.
Besteht eine Beziehung zwischen Fiktion und Mechanik, dient die Mechanik als eine Art Modell für die Fiktion, um bestimmte Dinge besser nachvollziehen zu können oder um ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Man kann sagen, dass ein Teil der Fiktion modelliert wird.
Wie auch bei allen anderen Techniken muss sich ein Designer natürlich genau überlegen, was er modellieren will. Die meisten Rollenspielen modellieren die Eigenschaften beliebiger Charaktere, sowie Waffen, Zaubersprüche usw.
WuShu, 7te See und viele andere modellieren nur die Eigenschaften wichtiger Charaktere und namenlose Schläger werden nur als "Gruppe von Schlägern" modelliert.
Capes schließlich modelliert ein Objekt entweder gar nicht oder wie einen Charakter. D.h. man kann die "Liebe zwischen Gambit und Rogue" genauso als Charakter bauen, wie Gambit und Rogue.
Eine schöne Möglichkeit die Beziehungen von Werten graphisch darzustellen, hat John Kirk in seinen Design Patterns in RPG erklärt. Ich kann die Lektüre des Werks auch ansonsten empfehlen.
Voraussetzungen und Vorgehen
Was muss ein Rollenspieldesigner also können und wie fängt man an?
Zuerst mal sollte man sich natürlich mit Rollenspielen beschäfigt haben. Ich bin häufig erstaunt, wie wenig Rollenspiele einige Leute kennen, die selbst welche schreiben wollen. Wichtig ist dabei nicht unbedingt viele Rollenspiele zu kennen, sondern solche, die sich möglichst stark unterscheiden. Nur dann kann man abstrahieren und letztendlich seinen eigenen Ansatz finden.
Wenn man jetzt loslegen will, macht man natürlich erstmal ein Konzept, überlegt sich Regeln, etc. Dann heißt es testen. Allein schon deshalb kann ich alleine gar keine allzu komplexen Regeln schreiben, weil ich sie selbst nicht alle testen könnte. Wer wirklich professionell arbeiten will, sollte auch fremde Leute gewinnen, die das Spiel ohne weitere mithilfe testen. Am besten setzt man sich dann still dazu oder nochbesser stellt eine Videokamera auf.
Eine große Hilfe ist es, sich mit kompetenten Leuten über die Ideen zu unterhalten. Häufig gibt es nämlich schon ähnliche Konzepte, wie man sie selber benutzen möchte. Es empfiehlt sich dann natürlich, sich entsprechende Spiele anzuschauen. Einschlägige Internetforen sind etwa Das Große Fantasy-Forum (eigentlich ein allgemeines Fantasy- & Rollenspielforum, aber mit großem Design- und Theoriebereich), das Forum engagierter Rollenspielautoren oder auf Englsich die Forge und Story Games.
Letztendlich muss man aber irgendwann fertig werden und den Kreis von Testen und Verbessern durchbrechen. Das ist vor allem wichtig, um auf seine Tätigkeit zurückblicken zu können. Denn wie bei allen Dingen fällt auch beim Spieldesign selten Meister vom Himmel. Es ist daher eine gute Idee zuerst mit kleinen Dingen anzufangen und nicht mit dem "Rollenspiel, das ich schon immer spielen wollte". Daher sind Projekte wie die Kurzzeit-Wettkämpfe, bei denen ein Rollenspiel z.B. in 24 Stunden geschrieben werden soll, ein sehr gutes Training. Möglichkeiten hierzu gibt es z.B. in verschiedene Projekte, die über 1000 Monkeys, 1000 Typewriters laufen, darunter der jährlichen Game Chef Contest, bei dem die Teilnehmer eine Woche Zeit haben. In den letzten Jahren hat auch das FERA einen 24h-Contest angesetzt, wobei hier mangels Vorgaben allerdings meines Erachtens kaum ein Trainingseffekt erzielt wird. Daneben hat vor kurzem das Grofafo einen 72h-Contest ausgerichtet.
Über konkretes Design hinaus kannn es keinesfalls schaden, sich auch theoretisch mit Rollenspielen zu beschäftigen. Wer Literaturtheorie kann, schreibt zwar noch nicht notwendigerweise bessere Bücher, im Großen und Ganzen lässt sich ein gewisser Nutzen wohl nicht verneinen. Auch dazu könnte ich jetzt eine ganze Reihe Links angeben, vielfach Blogs einzelner Leute, aber ich empfehle zum Einstieg das GroFaFo.
Wer schon weiter mit einem Spiel fortgeschritten ist, dem sei das Projekt Odyssee ans Herz gelegt, das Autoren auf Cons und Messen eine Plattform gibt.
Ungewöhnliche und interessante Spiele
So. Hier wie versprochen einige Links. Ich hab hier jetzt nur Spiele aufgenommen, die ich schon selber gespielt habe.
- The Pool (Original-HP, Deutsche Übersetzung) ist ein sehr kurzes Rollenspiel ohne Hintergrund oder Core Story. Das Spiel hat eine gewisse Fan-Gemeinde, so dass auf der englischen HP auch verschiedene Regelabwandlungen zu finden sind. Für noch besser als das Original halte ich The Puddle, da sich hier besonders gut die genau festgelegte Interaktion zwischen Fiktion und Mechanik beobachten lässt. Ein Vergleich mit dem Original ist jedoch auch interessant.
- Capes von Tony Lower-Basch ist ein Superhelden-Rollenspiel ohne Spielleiter. Auf der offiziellen HP gibt es Kurzregeln, die allerdings nicht ganz einfach zu verstehen sind. Das Spiel ist interessant, wegen seiner sehr ausgefeilten Mechanik, die gute Arbeit bei der Strukturierung eines SL-freien Spiels leistet. Im Grofafo gibt es eine deutsche Rezi.
- Ganakagok von Bill White ist ursprünglich ein Produkt aus dem Game Chef Contest von 2004. Hier findet ihr die kostenlose, überarbeitete Version. Im Spiel geht es um eine arktischen Eislandschaft, wo die Sonne aufgeht. Der Spielablauf ist sehr strukturiert und verbindet den Einsatz von speziellen Karten und Würfeln.
- Polaris von Ben Lehman ist ebenfalls aus dem Game Chef Contest von 2004 und auch hier geht es um Eiswelt, wo die Sonne allerdings schon aufgegangen ist. Das Spiel hat keinen festen Spielleiter, sondern benutzt eine rotierende Struktur und feste Schlüsselworte, um eine Fantasy-Tragödie zu erzählen. Offizielle HP.
- Donjon von Clinton R. Nixon bietet "Old-school dungeoneering with an all new bent." Hier kann man mal wieder einen Dungeon durchstreifen. Interessant, weil hier tatsächlich alles was der SL tun kann, seine guten und schlechten Seiten für die Helden hat. Offizielle HP.
- The Shadows of Yesterday ist auch von Clinton und ein recht klassisches Fantasy-Spiel. Für mich interessant, weil es einen gut gemachten Hintergrund bietet. Die Regeln sind noch recht klassisch, aber auch gut gewählt. Das Werk kann man entweder kaufen oder hier als Creative Commons Text (ohne Layout) bekommen.
- FATE ist eine neuere Form von Fudge und damit eher ein Baukasten als ein fertiges Rollenspiel. Daher natürlich interessant für alle, die ihre Spielmechanik nicht von Grund auf entwickeln wollen. Offizielle HP. Deutsche Übersetzung. Channel im Grofafo.
- Primetime Adventures von Matt Wilson ist ein Rollenspiel, dass sich spielt wie eine Fernsehserie und alle Regeln sind so gewählt, dass sich das Spiel entsprechend anfühlt. Die Gruppe macht die Serie komplett selbst. Interessant weil, es schöne Regeln hat, um Teilnehmer zu belohnen. Offizielle HP. Rezi im Grofafo.
- Dogs in the Vineyard von Vincent Baker spielt in einem mormonischen Wilden Westen, den es so nie gab. Die Charaktere sind relegiöse Gesetzeshüter, die Dogs, die von Stadt zu Stadt ziehen. Äußerst mächtige Konfliktregeln und gute Regeln zur Spielvorbereitung. Offizielle HP. Rezi im Grofafo.
- WuShu von Dan Bayn ist ein beliebtes Action-Rollenspiel (wenn auch nicht so mein Fall). Auch ohne Hintergrund und Core Story. Hier werden Handlungen einfacher, je ausgefallener sie beschrieben werden. Offizielle HP. Deutsche Übersetzung. Channel im Grofafo.
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